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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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vor Cardross, machte sie Nell darauf
aufmerksam, daß er durch den Brief von Lady Chudleigh bereits sehr übler Laune
sei.
    Ein
gedankenschweres Schweigen senkte sich auf Letty hernieder. Nach kurzer
Überlegung sagte sie mit einer Gleichgültigkeit, die niemanden täuschen
konnte: «Das hat nicht das geringste zu bedeuten. Ich mache mir nichts daraus,
wenn er mir wieder einmal eine Strafpredigt hält ... hm ... Nell ... ist er
sehr böse?»
    «Nein, aber
... nun ja ... ich fürchte, er ist sehr ungehalten. Aber ich glaube, er wird
mit dir nicht darüber sprechen, wenn du ihn nicht wieder reizt.»
    «Also gut,
ich werde heute abend nicht darüber sprechen», willigte Letty ein. «Welch
glückliches Zusammentreffen, daß wir heute ins Theater gehen. Ich wollte dich
eigentlich fragen, ob wir unbedingt gehen müssen, denn ich hatte keine Lust
dazu. Es hat aber keinen Sinn, in Lethargie zu verfallen, auch wenn Cardross
fest entschlossen ist, mir das Herz zu brechen. Es wird ihm schon recht
geschehen, wenn ich dahinsieche, denn obwohl ich glaube, er kümmert sich
keinen Pfifferling darum, wie es mir geht, so werde ich einen Brief
hinterlassen, der erst nach meinem Tod geöffnet werden darf. Darin werde ich
erklären, daß er an allem schuld ist, und das wird ihm nicht gerade
sehr angenehm sein.»
    Durch den
Gedanken an diesen Racheakt etwas aufgemuntert, verließ sie Nell, um sich
umzukleiden. Mit erlesenem Taktgefühl wählte sie unter ihrer Garderobe ein sehr
bescheidenes kleines Abendkleid aus französischem Musselin, das an Sittsamkeit
noch dadurch gewann, daß sie einen Spitzenschal um ihre Schultern legte. Dies
veranlaßte ihre ergebene Kammerfrau dazu, sie mit ängstlicher Besorgnis zu
betrachten. Als ihr die Sache aber erklärt worden war, erfaßte Martha den Geist
dieser Maßnahme sogleich und trug ihren Anteil dazu bei, indem sie ein Paar
elegante Glacélederhandschuhe, die sie bereits vorbereitet hatte, mit seidenen
Halbhandschuhen vertauschte. Letty betrachtete sie mißbilligend, willigte aber
schließlich ein, sie zu tragen, um sich unmittelbar darauf ihrem Halbbruder als
Verkörperung tugendhafter Jungmädchenhaftigkeit zu präsentieren. Die Wirkung
dieses bescheidenen Ensembles war gut, doch nicht so gut, wie sie erwartet
hatte. Als sie den Salon betrat, sah Cardross sehr streng aus, doch nach einem
Blick auf seine kleine, so kindlich angetane Schwester heiterte sich sein
Antlitz auf. Er hob sein Monokel an das Auge, um ihre Erscheinung besser
studieren zu können, und sagte hierauf trocken, aber mit zuckenden Mundwinkeln:
«Übertreibst du nicht etwas zu sehr, Letty?»
    Ihr
tugendhafter Ausdruck verwandelte sich blitzschnell in den eines bezaubernden
Mutwillens. Sie zwinkerte ihm schalkhaft zu und stellte
sich auf die Fußspitzen, um ihn auf die Wange zu küssen. «Lieber Giles! Welch
freudige Überraschung!»
    «Willst
dich wohl bei mir einschmeicheln, was, mein kleiner Liebling?»
    Sie lachte.
«Nein, nein, es ist der glücklichste Zufall, daß du zurückgekommen bist. Die
Sache ist die, wir wollten heute ins Theater gehen und hatten niemanden, der
uns begleitet.»
    «Was bist
du doch für ein abscheuliches Ding!» bemerkte er.
    «Ja. Aber
bitte, sei nicht böse», bat sie.
    «Es wäre ja
doch nur Zeitverschwendung. Ich habe aber ernstlich die Absicht, dich zu
längerem Aufenthalt zu Tante Honoria zu schicken. Sie kann dich dann und wann
zu einer Tanzveranstaltung führen – sie enden übrigens pünktlich um elf Uhr –,
jedoch nur, wenn du dich außerordentlich gut aufführst.»
    «Brr, was
für eine abscheuliche Vorstellung», rief Letty schaudernd. «Tante Honoria! Und
noch dazu in Bath! Aber ich würde ihr bestimmt davonlaufen, um ... um
Schauspielerin zu werden, nur um dir eins auszuwischen!»
    «Unsinn!
Die wird dich innerhalb einer Woche schon zum Gehorsam zwingen. Sie versetzt
selbst mich in Angst und Schrecken.»
    «Möglich.
Ich kann dir aber versichern, meine Nerven sind aus härtestem Stahl.»
    Er lachte,
und da in diesem Augenblick gemeldet wurde, daß das Dinner serviert sei,
öffnete er den beiden Damen mit einer Verbeugung die Tür und folgte ihnen über
die Treppe in den Speisesaal. Letty, welche sich vorgenommen hatte, ihn in
nachgiebigere Stimmung zu versetzen, amüsierte ihn mit ihren übermütigen
Neckereien, an welchen sich Nell nur in sehr geringem Maß beteiligte und die
auch nur ganz mechanisch über Lettys unmögliche Albernheiten lachte. Sie befand
sich in bedrückter Stimmung

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