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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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und ließ ihre Zunge vor
Entsetzen am Gaumen kleben. Doch Sutton schwieg. Ihr stets unbewegtes Gesicht
wurde in Cardross' Anwesenheit immer zur starren Maske. Sie knickste leicht und
zog sich, ihrer korrekten Gewohnheit gemäß, sogleich zurück. Nell erinnerte
sich, daß sie das ganze männliche Geschlecht verabscheute, und atmete erleichtert
auf.
    Cardross
trug noch seine Vormittagskleidung. Beim Anblick seines blauen Rocks und der
mit Troddeln geschmückten hohen Stulpenstiefel besann sich Nell zu ihrer großen
Erleichterung, daß er an diesem Abend nicht zu Hause dinierte. Sie sagte mit
gespielter Leichtigkeit: «Aha! Wie ich deiner Kleidung entnehme, ist's der
Daffy Club?!»
    Er
lächelte. «Nein, Cribb's Parlour. Du bist für heute abend nicht vergeben?»
    «Nein. Und
ich bin recht dankbar dafür. Ich hatte den ganzen Tag Kopfschmerzen und bin sie
bis jetzt nicht losgeworden.»
    «Du hast
sie, wie ich glaube, schon seit einigen Tagen.»
    Ihre Augen
flogen zu ihm hinüber, ebenso erschrocken wie wachsam. «Nein ... doch ich gebe
zu, daß ich durch die vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen völlig erschöpft
bin.»
    «Etwas ist
auf jeden Fall schuld!» Er sagte das sehr leise, doch seine Miene
beunruhigte sie. «Fast könnte man annehmen, du verzehrtest dich vor Liebe ...
ebenso wie Letty.»
    Sie sah ihn
verständnislos an, dann zitterte ein trauriges Lächeln um ihre Lippen. Doch sie
wendete den Kopf wortlos ab.
    «Es bleibt
mir nichts übrig, als dir baldige Besserung zu wünschen», sagte er. «Wer ist im
übrigen der Mann, der so glücklich war, dein Interesse zu erregen? Zweifellos
ein sehr eleganter Modejüngling?»
    «Ich
glaube, du willst dich über mich lustig machen», sagte sie, hielt ihr Gesicht
aber noch immer abgewandt. «Das ist nicht sehr freundlich ... wenn ich
Kopfschmerzen habe.»
    «Oh! Du
mußt mir verzeihen.» Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: «Ich kam, um dir
zu sagen – und ich bin überzeugt, es wird deine Kopfschmerzen sogleich lindern
–, daß ich heute erfuhr, Allandale sei für zwei Tage aufs Land gefahren, um
einen Onkel zu besuchen oder so etwas Ähnliches. Du kannst deine Wachsamkeit
also etwas verringern. Ich wollte, er bliebe London fern, bis er abreist.»
    «Das kann
dir wahrhaftig niemand übelnehmen. Ich weiß, daß du durch ihn eine Menge Ärger
hast.»
    «Weißt du
das?» fragte er. «Nun, es ist immerhin etwas, wenn du das zugibst!»

11
    Obwohl sich Nell den größten Teil der
Nacht mit ihren verzweifelten Gedanken abquälte, fand sie keinen Ausweg und
bestimmt keinen Trost. Solange sie Dysart nicht zu erreichen vermochte, blieb
ihr nichts zu tun übrig. Wenn man in seiner Wohnung vielleicht auch wußte, wohin
er gefahren war, gab es für sie doch keine Möglichkeit, ihn zu sprechen, denn
sie konnte ihm ja nicht nachfahren. Das wichtigste war aber, Dysart zu
sprechen, bevor er das Halsband verkaufte. Da dies nicht möglich war, fragte
sie sich, ob er imstande wäre, es ihr wiederzubeschaffen. Die Rechnung der
Lavalle war plötzlich zu einer ganz unbedeutenden Angelegenheit geworden, und
zwar in so hohem Maß, daß sie überrascht war, es für unmöglich gehalten zu
haben, Cardross etwas davon zu sagen. Es war im Vergleich zu dem Verlust des
Halsbandes eine lächerliche Bagatelle und viel zu geringfügig, um dieses
grauenhafte Unglück heraufzubeschwören, dem sie sich jetzt gegenübersah. Alle
anerzogenen Grundsätze ihrer Jungmädchenzeit fielen ihr ein und erweckten ihre Gewissensbisse.
Sie sah Miss Wilbys ernste Miene wieder vor sich, als sie ihren
Schutzbefohlenen die furchtbaren Konsequenzen klarmachte, welcher jeder zu
tragen hatte, der versuchte, eine Sünde zu verheimlichen. Miss Wilby vermochte
eine Unmenge Beispiele zu zitieren. Nicht einmal ihre schrecklichste Geschichte
eines total verkommenen Menschen,
dessen grauenhaftes Ende am Galgen man über eine Reihe von Verbrechen bis zu
dem verhängnisvollen Tag zurückverfolgen konnte, an welchem er aus der
Speisekammer seiner Mutter ein Glas Jam gestohlen und diese Untat auch noch
geleugnet hatte, war so entsetzlich wie die Konsequenzen von Nells Versuch,
Cardross zu täuschen. Sie hatte gefürchtet, ihre Beichte könnte es ihm
unmöglich machen, ihr Glauben zu schenken, daß sie ihn aus Liebe und nicht
seines Vermögens willen geheiratet hatte. Und jetzt war es nur zu
wahrscheinlich, daß er keinen Wert mehr darauf legen werde, ob sie ihn liebte
oder nicht. Sie hatte seinen Argwohn bereits erregt. Er

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