Georgette Heyer
zu
besuchen, und sobald sie das Tor des Pensionats hinter sich geschlossen hatte,
vergrößerte sich ihr Bekanntenkreis bedeutend.
Erst als
ein Billett von einem verliebten Jüngling an Tiffany in Miss Climpings Hand
fiel, das von einem gefälligen Diener in das Haus geschmuggelt worden war,
begriff die ahnungslose Dame, daß die häufigen Besuche bei Schulfreundinnen
weit weniger wünschenswerte Ausgänge verbergen. Hatte sich am Ende ein noch
nicht sechzehnjähriges Mädchen auf eine heimliche Liebesaffäre eingelassen?
Tiffany war eine begehrenswerte Schülerin, deren Vermögensverwalter jede Extrazahlung
auf der Rechnung beglichen, ohne mit der Wimper zu zucken. Wäre nicht ein
besonderer Umstand eingetreten, hätte Miss Climping trotzdem von Mr. Burford
verlangt, die Aufwieglerin, die den Ruf ihrer Schule zu verderben drohte,
sofort zu entfernen. Dieser Umstand war die Ankunft von Ancilla Trent, die
selbst einmal diese Schule besucht hatte und nun die Aufgaben einer Lehrerin
übernahm. Tiffany, der die ewigen Vorwürfe und Moralpredigten von Miss
Climpings Vogelscheuchen, wie sie sie nannte, schon auf die Nerven gingen,
faßte sofort Zuneigung zu der jungen Lehrerin. Diese war nur um acht Jahre
älter als sie selbst, und Tiffany entging das schelmische Blinken in ihren
leuchtenden grauen Augen nicht. Sie fand auch bald heraus, daß Ancilla aus
guter Familie kam und gewöhnt war, sich in fraglos vornehmen Kreisen zu
bewegen, mochten ihre Verhältnisse auch dürftig sein. Sie bemerkte auch – mit
Ehrfurcht – eine gewisse Eleganz in Ancillas einfachen Kleidern. Nach und nach
befolgte sie kleine Ratschläge außerhalb des Unterrichts, die Ancilla
gelegentlich fallenließ. Es gehörte nicht zu Ancillas Pflichten, die älteren
Schülerinnen zu ermahnen, und sie tat es auch nicht. Sie schätzte den Humor in
manchen groben Streichen, aber es gelang ihr, der Erbin begreiflich zu machen,
daß sie vielleicht doch ein wenig kindisch waren. Als Tiffany ihr einmal ihren
Entschluß mitteilte, in den hohen Adel heiraten zu wollen, stimmte Ancilla
diesem lobenswerten Ehrgeiz nicht nur zu, sondern ging mit erfreulicher
Begeisterung darauf ein, um in verschiedenen Gesprächen Pläne zu entwickeln. Da
diese nur der Vorbereitung der künftigen Adeligen auf ihren hohen Status
galten, war Tiffany verleitet, auch in den Unterrichtsstunden gutes Benehmen zu
bewahren, Musik zu üben und gelegentlich ein Buch zu lesen. Als sie die Schule
verließ, war sie kein Wildfang mehr, hatte gute Manieren und ein wenig Bildung.
Aber es
wurde immer schwerer, mit ihr umzugehen, und sie war weit davon entfernt, sich
den Plänen ihrer Tante Burford unterzuordnen. Mrs. Burford, die gerade dabei
war, ihre älteste Tochter in die Gesellschaft einzuführen, sagte, Tiffany sei
noch zu jung, um auszugehen. Wohl erlaubte sie ihr, dann und wann eine kleine
Party zu besuchen oder an einer Vergnügungsfahrt teilzunehmen, doch müsse sie
sich noch als Schulmädchen betrachten. Sie dürfe Konzerte und Tanzstunden
unter der Aufsicht der Gouvernante ihrer Töchter besuchen, aber sie müsse einen
Teil ihrer Zeit darauf verwenden, ihr Französisch zu verbessern und das
Harfenspiel zu erlernen.
Aber Mrs.
Burford kannte Tiffany nicht. Diese dachte nicht daran, sich zu fügen. So kam
es, daß nach drei Monaten Mrs. Burford ihrem Gatten erklärte: Wenn er nicht in
entsetzliche Skandale verwickelt werden und seine geliebte Gattin vorzeitig ins
Grab sinken sehen wolle, möge er so freundlich sein, seine Nichte nach
Yorkshire zurückzuschicken. Diese habe keine Ahnung, was sich schicke: als man
sie schlafend im Bett vermutete, schlich sie aus dem Haus, um einen Maskenball
in Vauxhall Gardens mit einem vernarrten Jüngling zu besuchen, den sie – der
Himmel weiß wo – kennengelernt hatte. Sie zerstöre alle Chancen ihrer Cousine
Bella, eine vorteilhafte Verbindung anzuknüpfen. Sobald ein möglicher Freier
Tiffany erblicke, sehe er keine andere mehr an. Was eine Heirat zwischen ihr
und Jack oder William betreffe, sähe sie, selbst wenn sie sich nicht ablehnend
gezeigt hatte (was allerdings keineswegs zutraf), lieber ihre Söhne als
Bettler, als sie mit einem so entsetzlichen Mädchen zu verheiraten.
Mr. Burford
hatte nichts dagegen, das unliebsame Mündel loszuwerden, aber er war ein
gewissenhafter Mann und fand es unrichtig, Tiffany der Obhut
von Mrs. Underhill zu überlassen, die sich schon einmal unfähig gezeigt hatte,
Tiffany in Zucht zu halten. Da hatte Mrs.
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