Georgette Heyer
lassen!»
«Das
wundert mich nicht! Aber Sie haben es nicht getan, und ich bin Ihnen sehr
dankbar dafür.»
«Ich bin
nicht sicher», sagte er düster. «Sie hätte keinen solchen Wirbel gemacht, wenn
ich klug genug gewesen wäre, keinen Widerstand zu leisten. Das Schlimme war,
daß sie mich in eine solche Zwickmühle gebracht hatte, daß ich mich lieber
hätte hängen lassen, als ihr gut zuzureden. So sagte ich ihr, wenn sie
versuchen sollte auszubrechen, würde ich es zu verhindern wissen, das heißt,
ich würde dem Wirt sagen, wer sie ist und was sie plant. Daraufhin warf sie mir
die Uhr an den Kopf! Natürlich brachte das den Wirt und die Kellner auf den
Schauplatz, und den Hausknecht und eine Anzahl von Stubenmädchen, die – wie
ich glaube – schon an der Tür gelauscht hatten. Und ehe ich noch ein
erklärendes Wort herausgebracht hatte, setzte sie ihr Geschimpfe fort. Sie
drohte, jedem zu sagen, daß ich ihr einen Schlag auf die Schulter versetzt
hätte, als ich sie nicht aus dem Zimmer ließ. Und bei Gott, das hat sie getan!»
«Nein,
nicht doch!» sagte Miss Trent und wurde blaß. «Wie konnte sie nur?»
«Wenn Sie
mich fragen, Ma'am – sie ist zu allem fähig. Ich konnte also nichts tun, als
dem Wirt sagen, daß sie Mrs. Underhills Nichte sei – was er ohnehin wußte –,
und daß sie die Absicht habe, nach London durchzubrennen, und daß ich sie nur
zurückhalte, bis Sie kommen werden, um sie zu übernehmen. Das glaubte er gerne,
weil er wußte, daß ich einen der Postboten gemietet hatte, um Waldo die
Nachricht zu bringen. Als sie sah, daß der Wirt mir glaubte, verfiel sie in
hysterische Schreikrämpfe
– Hergott, so einen Spektakel haben Sie ihr Lebtag nicht gehört!»
«So einen
Spektakel erlebe ich täglich. Wo ist sie jetzt?»
«Ich weiß
es nicht, die Wirtin nahm sie mit sich; mich dürfen Sie nicht fragen.»
Ancilla
erhob sich.
«Ich werde
jetzt die Wirtin suchen. Lassen Sie mich Ihnen nochmals danken, ich bin sehr in
Ihrer Schuld. Sie haben die unangenehmste Zeit gehabt, die man sich vorstellen
kann, und ich bewundere Sie, daß Sie das elende Kind nicht im Stich gelassen
haben.»
«Nun, das
hätte ich nicht tun können – bin auch nicht so empfindlich – aber sprechen wir
nicht mehr darüber!»
Er
beobachtete sie, wie sie durch das Zimmer zur Tür ging, und seinen Cousin, wie
er die Tür für sie öffnete. Mit wachsendem Mißfallen nahm er die betonte
Höflichkeit von Waldos leichter Verbeugung und die Strenge ihrer Haltung zur
Kenntnis. Sir Waldo schlenderte zurück ins Zimmer und zog seine Schnupftabaksdose.
Nach einer ausgiebigen Prise sagte er, Laurence belustigt ins Auge fassend:
«Jetzt sag mir eines, Laurie, warum hast du nach mir geschickt und nicht nach
Underhill?»
Laurence
blickte ihn nachdenklich an. «Ich glaubte dir damit einen Gefallen zu erweisen,
und du weißt, daß mir das gelungen ist.»
«Ach, wie
freundlich von dir!» sagte Sir Waldo. «Ich wußte nicht, daß dir mein Wohl so
sehr am Herzen liegt!»
«Schon
gut!» sagte Laurence täppisch. «Es ist mir nicht bewußt, daß ich das so
ausgedrückt habe. Aber schließlich sind wir doch Cousins, und ich konnte
erkennen, daß du dich mit deiner Angelegenheit in einer Sackgasse befindest.»
«Welcher
Angelegenheit?»
Laurence
setzte sein Glas heftig auf den Tisch und sagte mit Nachdruck: «Ich kenne
dich, lieber Cousin, du kannst mich nicht täuschen. Der Fall ist klar wie
Tinte!»
«Glaube nur
nicht, mich täuschen zu können. Du wolltest mich dir nur verpflichten,
damit ich dir bei der Pferdesache helfe. Ich kenne deine Taktik nur zu gut!»
«Was, zum
Teufel, kann ich anderes machen? Wer sonst als du kann mir denn die Möglichkeit
dafür bieten?» fragte Laurence ärgerlich.
Sir Waldos
Mundwinkel zuckten. «Ich glaube nicht, daß du jemanden findest!»
«Das sieht
dir wieder ähnlich!» sagte Laurence in aufflammendem Groll. «Du schwimmst
derart in Geld, daß du dir nicht vorstellen kannst, wie jemand anders in die
Enge getrieben wird – und du scherst dich auch
nicht darum. Die fünftausend für mich würden dir nicht mehr bedeuten, als mir,
einem Kellner den halben Shilling Trinkgeld zu geben. Waldo, wirst du es tun?»
«Nein! Ich
habe eine zu schwere Hand dafür. Verschwende dafür keine Zeit und Mühe, mich
dir zu verpflichten, es wird dir nicht gelingen. Du hast in manchem einen
wachen Blick – aber nicht in allem. Du kennst mich nicht so gut, wie du
glaubst, wenn du der Meinung bist, ich könnte
Weitere Kostenlose Bücher