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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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betrat,
bemerkte er sie sofort. Sie trug ein Kleid aus Crpe mit lila Bändern und langen
Ärmeln. Das Mieder war eher
hochgeschlossen, wie es sich für eine Gouvernante schickt. Er aber sah in ihr
die vornehmste der anwesenden Damen und näherte sich ihr bald.
    Das Zimmer
war für den Tanz geräumt, und die Musiker, die aus Harrogate gekommen waren,
stimmten ihre Instrumente. Mrs. Underhill erklärte, sie nehme an, die jungen
Leute wollten tanzen. Sie bat Sir Waldo, er möge sich nicht verpflichtet
fühlen, am Tanz teilzunehmen, wenn ihm nichts daran liege. So konnte er sich
leicht unter die älteren Anwesenden mischen. Trotz seiner bekannten Höflichkeit
hatte er nicht die Absicht, einem Dutzend Mädchen aus der Provinz für ihre
ländlichen Tänze zur Verfügung zu stehen. Aber als sich Paare zu bilden
begannen, ging er auf Miss Trent zu und bat um die Ehre, sie führen zu dürfen.
Obwohl sie erfreut war, lehnte sie ab.
    «Das ist
ein Korb!» sagte Sir Waldo. «Sie werden mir doch nicht einreden wollen, daß Sie
nicht tanzen?»
    Das
unerwartete Wiedersehen hatte sie in begreifliche Verwirrung versetzt, und sie
sagte weniger ruhig, als es sonst ihre Art war: «Nein, danke! Schon – nämlich –
ja, natürlich tanze ich, aber nicht – ich meine ...»
    «Also,
kommen Sie!» sagte er aufmunternd, als sie sich nicht rührte, ärgerlich über
sich selbst, so taktlos zu sein. «Bestimmt tanzen Sie, aber nicht mit Herren,
die dem Sport hingegeben sind. Stimmt das?»
    Sie blickte
ihn an. «Habe ich das gesagt?»
    «Ja, und
noch dazu in einem Ton höchster Abweisung. Damals haben Sie mir natürlich nicht
gesagt, daß Sie mit mir nicht tanzen werden, dazu war keine Gelegenheit.»
    «Ich habe
Ihnen das auch jetzt nicht gesagt, Sir», rief sie schlagfertig. «Ich sagte –
ich hoffe, höflich –, daß ich überhaupt nicht tanze.»
    «Und
nachher», erinnerte er sie, «daß sie tanzen, aber nicht mit – Da übermannte Sie
die Höflichkeit, sie fesselte Ihre Zunge, wirklich! Deshalb komme ich Ihnen
zur Rettung und möchte wissen, was ich eigentlich getan habe, um Ihr Mißfallen
zu erregen?»
    «Sie irren
sich, Sir! Sie wissen, daß Sie nichts getan haben, ich versichere Ihnen, daß
mir nichts mißfällt!»
    «Also nur
meine Einbildung, Miss Trent? Ich glaube es nicht, aber ich lasse mich gerne
überzeugen. Wollen wir diesen Tanz ...»
    «Sir Waldo,
Sie sind in einem Irrtum befangen. Es wäre einfach ungehörig, wenn ich mit
Ihnen oder mit einem anderen Herrn antrete. Ich bin hier kein Gast, ich bin die
Gouvernante!»
    «Ja, aber
eine überragende Person!» murmelte er.
    Sie blickte
ihn erstaunt an. «Sie haben es gewußt? Und Sie forderten mich trotzdem auf? Ich
danke Ihnen dafür – aber Sie zeigen einen Mangel an
Anstand, wenn Sie die Gouvernante auffordern statt Miss Wield!»
    «Das hat
mein Cousin vor mir getan. Bitte, zählen Sie mir jetzt nicht eine Liste von
Mädchen auf, die ich zum Tanz auffordern sollte! Ich gestehe, sie sind sehr
liebenswert, ich sehe auch die eine oder die andere, die hübsch ist, aber ich
weiß, daß ich sie alle sterbenslangweilig finden werde. Ich freue mich, daß Sie
nicht tanzen, ich möchte viel lieber mit Ihnen plaudern.»
    «Das kann
nicht sein!» sagte sie resolut. «Ich bin wirklich unter Ihrem Stand!»
    «Nein,
nein! Das geht zu weit!» sagte er. «Ich habe es doch aus bester Quelle, daß Ihr
Onkel ein General ist!»
    Einen
Moment lang glaubte sie, er wolle sich über sie lustig machen; doch ein Blick
in seine Augen sagte ihr, daß er glaubte, sie werde den Witz verstehen. Sie
sagte mit zuckenden Lippen: «Hat – hat Mrs. Underhill Ihnen das gesagt? O Gott!
Sie glauben doch hoffentlich nicht, ich hätte ihr von meinem Onkel
erzählt. Ich versichere Ihnen, sie hat es nicht von mir!»
    «Wieder so
ein Mißverständnis von mir! Natürlich habe ich geglaubt, daß Sie ihn in jedem
Gespräch erwähnen, und habe mich gewundert, daß Sie ihn zu erwähnen vergaßen,
als wir miteinander sprachen.»
    Sie
unterdrückte ein Lachen. «Hören Sie doch bitte auf, mich zum Lachen zu bringen,
Sir Waldo, ich flehe Sie an! Gehen Sie und sprechen Sie mit Mrs. Mickleby oder
Lady Colebatch oder sonst einer Dame. Und wenn ich zwanzig Generäle in der
Familie hätte, ich bin trotzdem die Gouvernante, und Sie sollten wissen, daß
Gouvernanten diskret im Hintergrund bleiben.»
    «Das klingt
sehr schwülstig!»
    «Ist es
aber nicht! Das ist eine gesellschaftliche Gepflogenheit. Man würde es mir sehr
ankreiden,

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