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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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so
schön – ernstlich interessieren würde, das aus der Klasse der Neureichen kam,
die er instinktiv mied. Andererseits sähe es ihm nicht ähnlich, nur eine
Tändelei zu suchen. Hinter seinem Übermut lagen Ernst und strenge Grundsätze.
Er könnte – obwohl Waldo auch das bezweifelte – Amüsement in der Halbwelt
suchen; aber es wäre ganz gegen seine Natur, in einem anständigen Mädchen Erwartungen
zu wecken, die er nicht zu erfüllen bereit wäre.
    Er selbst
hatte ein- oder zweimal geglaubt, verliebt zu sein, und der auserwählten
Schönen hofiert. Aber diese Affären waren dahingegangen, eines natürlichen
Todes gestorben. Auch war er nie einem heiratsfähigen Mädchen in der Art der
Schürzenjäger nachgelaufen; seine jugendlichen Liebesabenteuer mochten flüchtig
gewesen sein, aber als er sich auf sie einließ, war es in lauterer Absicht
gewesen.
    «Mir
gefällt der Gutsherr», sagte Julian lässig.
    «Besser als
seine Gattin!»
    «Bei Gott!
Große Angeberin, nicht wahr? Ihre Töchter sind natürlich und lustig, aber kein
besonderer Anblick. Ich glaube, die auffallendste war – au fait de beauté, wie
Mama sagen würde – der rothaarige Irrwisch
mit dem rätselhaften Bruder. Aber mir persönlich gefällt Miss Chartley am
besten – und ihre Eltern. Keine Prätentionen, sondern – wie soll ich es
nennen?»
    «Ein Hauch
von Vornehmheit!» ergänzte Waldo.
    «Das ist
es!» pflichtete Julian bei. Er gähnte und verfiel in schläfriges Schweigen.
    Er sprach
nicht mehr von Miss Wield, weder an diesem noch an den darauffolgenden Tagen.
Nichts ließ Anzeichen eines Liebestaumels erkennen. Mit Hilfe von Mr. Gregory
Ash prüfte er mögliche Jagdgründe, schloß Freundschaft mit Jack Banninghams
älterem Bruder und schoß mit ihm Wildenten. Er schleppte seinen Cousin zwanzig
Meilen durch das Land, um ihm eine interessante Mühle zu zeigen, und schien im
großen und ganzen mehr an Sport als an bezaubernden Mädchen interessiert.
    Aber Sir
Waldo konnte den unangenehmen Verdacht nicht loswerden, daß Julian schwerer
getroffen war, als seine Mutter es gern gesehen hätte. Doch drängte er diesen
Gedanken zurück und hoffte, sich geirrt zu haben.
    Als er aber
am Mittwoch in Staples Miss Wield kennenlernte, wußte er, daß er sich nicht
geirrt hatte.
    Aus der
großen, hohen Halle von Staples schwang sich die Treppe in einem anmutigen
Bogen empor. Als die beiden Cousins ihre Mäntel und Hüte in die Obhut eines
Lakaien mit gepuderter Perücke gegeben hatten und sich anschickten, unter der
Führung des Butlers die Halle zu durchqueren, kam Miss Wield leichten Schrittes
die Treppe herab. Mit einem kurzen Blick prüfte sie ihre Gäste und rief: «O
mein Gott! Ich wußte nicht, daß schon jemand angekommen ist! Ich habe mich
verspätet, und Tante wird mich schelten. Wie geht's, Lord Lindeth?»
    Für eine
junge Dame, die absichts- und zweckvoll als Tochter des Hauses galt, ließ der
verspätete Auftritt viel zu wünschen übrig – als Entree war er herrlich. Sir
Waldo war nicht überrascht, als Lord Lindeth tief Atem holte, er selbst
glaubte nie eine reizendere Erscheinung gesehen zu haben; dabei war er weder
sehr beeindruckbar noch dreiundzwanzig. Die Bänder, die ein Ballkleid aus
himmelblauem Crêpe und silberglänzendem Tüll zierten, waren von intensivem
Blau, doch nicht leuchtender als Tiffanys Augen, zu denen sie abgestimmt schienen.
Auf der Treppe stehend, eine behandschuhte Hand auf dem Geländer, die roten
Lippen halb zu einem Lächeln geöffnet, das die schönen Zähne zeigte, stellte
sie ein Bild dar, das die Herzen der meisten Männer erfreuen konnte.
    O Gott!
dachte Sir Waldo. Jetzt sitzen wir in der Tinte.
    Während
Julian verzaubert dastand, setzte sie ihren Weg über die Treppe
fort.
    «M-Miss
Wield! Endlich sehen
wir uns wieder!»
    Entzückende
Grübchen erschienen auf ihren Wangen, als sie ihm die Hand reichte.
    «Endlich?
Es ist doch kaum eine Woche her, als ich Sie beim Angeln störte, und Sie waren
böse – schrecklich böse!»
    «Niemals!»
erklärte er lachend. «Vielleicht als ich Sie vorige Woche vergeblich im
Gutshaus suchte – aber böse war ich auch da nicht. Das Wort trifft nicht ganz
zu.» Er wagte einen Händedruck.
    Sir Waldo,
der (ganz richtig) vermutete, daß Tiffany auf dem oberen Treppenabsatz gewartet
hatte, verbeugte sich und begrüßte sie in einer Art, die die richtige Mischung
von Höflichkeit und Gleichgültigkeit war. Tiffany, gewöhnt, mit lauter
Bewunderung begrüßt zu

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