Georgette Heyer
überläßt mir immer seine Pferde, denn
er lehrte mich die Zügel richtig zu gebrauchen. Bedenken Sie die Wunde, die
sein Stolz erlitte, müßte er zugeben, daß er seinem Schüler seine Pferde nicht
anvertrauen kann. Haben Sie keine Angst, Miss Chartley, ich bin kein
Rennfahrer, aber umwerfen werde ich nicht!»
«Wirklich,
ich habe kein bißchen Angst davor», antwortete sie und blickte scheu zu ihm
auf. «Sie haben mich so angenehm hierher gebracht!»
«Danke!» Er
sah, daß Tiffany im Begriffe war, die Barutsche zu besteigen, und ging hinüber,
um ihr behilflich zu sein.
«Einmal
werde ich Ihnen solche Reden abgewöhnen!» sagte er scherzend. «Die größte
Ungerechtigkeit! Ich wollte, wir müßten uns nicht schon trennen, ich habe kaum
mit Ihnen gesprochen. Haben Sie Miss Colebatch besser gefunden? Ihre Mama sagte
mir, wir brauchen nicht zu befürchten, daß der Ball von nächster Woche
verschoben werden muß. Wollen Sie den Walzer mit mir tanzen?»
«Wie?» rief
sie. Ihren Trotz hatte sie schon vergessen. «Sie meinen das im Ernst? Sie
wollen mit mir Walzer tanzen? Oh, halten Sie mich wirklich nicht zum besten?»
«Nein, das
tue ich nicht! Ist das nicht herrlich?»
«O ja, und
ein solcher Spaß!» rief sie und klatschte in die Hände. «Ich gestehe, ich bin
vernarrt in Lady Colebatch! Aber wie wagt sie es, so modern zu sein? Stellen
Sie sich die Augen von Mrs. Mickleby vor!»
«Der Walzer
hat ihre Erlaubnis – fast ihren Segen!»
«Unmöglich.»
«Ich
versichere es Ihnen.» Seine Augen funkelten. «Lady Colebatch beriet sich mit
ihr, und sie fragte natürlich bei ihren modischen Londoner Cousins an, und die
informierten wieder sie, daß der Walzer jetzt der letzte Schrei sei und selbst
bei Almack's erlaubt wird. Nur Bauern sehen ihn noch scheel an. So ...»
«Oh,
herrlich, herrlich!» rief Tiffany. «Die vornehme Mrs. Mickleby eine Bäuerin!
Jetzt verstehe ich!»
«Und Sie
werden mit mir antreten?»
«Wenn meine
Tante es erlaubt», antwortete sie zimperlich.
Er
lächelte, preßte ihre Hand flüchtig und ging zu seinem Wagen. Tiffany war so
entzückt, daß sie es nicht nur ertrug, ihn an Patiences Seite losfahren zu
sehen, sondern auch lustig mit Miss Trent über alle bevorstehenden Freuden
plauderte, bis sie in Staples angelangt waren.
9
Während Lord Lindeth in leichtem Trab Miss
Chartley nach Hause brachte, erzählte er ihr natürlich, daß beim Ball in Colby
Place Walzer getanzt werden würde. Sie war, ebenso wie Tiffany, überrascht,
doch sie empfing die Neuigkeit anders. Sie sagte bescheiden: «Ich habe noch nie
Walzer tanzen gelernt, aber ich werde gern zusehen.»
«Sie können
den Schritt sofort erlernen», versicherte er ihr. «Ich weiß, wie gut Sie
tanzen, Miss Chartley. Jeder Hüpferling kann es Ihnen in einer Lektion
beibringen. Ich selbst könnte Sie unterrichten, obwohl ich kein Meister bin.
Bitte, lassen Sie mich Ihr Lehrer sein!»
Sie
lächelte ihn dankbar an und sagte: «Ich glaube nicht, daß Mama es erlauben
wird.»
«Glauben
Sie? Auch nicht, wenn sie weiß, daß Mrs. Mickleby ihn sanktioniert?»
Sie
schüttelte den Kopf, aber sie schwieg. Eine wirkliche Dame sagte Mama –
sprudelte ihre Meinung nicht so heraus, das taten nur Emporkömmlinge. Mama
drückte sich zwar nicht so aus, aber sie war viel besser erzogen als die Gattin
des Gutsherrn, und Patience wußte nur zu gut, daß Mama die Zumutung, Mrs.
Mickleby als Beispiel zu akzeptieren, zurückweisen würde.
«Hält sie
ihn für einen unpassenden Tanz?» fragte Lindeth. «Auch meine Mutter war dieser
Ansicht, ehe sie ihn tanzen sah. Ich werde versuchen, Mrs. Chartley
umzustimmen. Es wäre doch zu dumm, wenn Sie nur zusehen dürften.»
«Ich
fürchte, Sie werden keinen Erfolg haben», sagte sie, denn sie glaubte nicht an
seine ehrliche Absicht.
Aber sie
irrte sich. Als sie das Pfarrhaus erreichten, trat Lindeth mit ihr ein und war
bald in ein Gespräch mit Mrs. Chartley, die sich auf dem Sofa im Salon von
ihrer Indisposition erholte, verwickelt. Er versuchte, ihr die Erlaubnis
abzuschmeicheln und ihre Meinung über den österreichischen Tanz, der eben in
London große Mode war, zu korrigieren.
Sie war
keineswegs unempfindlich für seinen Charme, aber ihre Ansichten über Anstand
waren streng; es wäre ihm wohl nicht gelungen, sie umzustimmen, hätte er nicht
von unerwarteter Seite Hilfe bekommen. Der Rektor trat ins Zimmer, und als er
den Gegenstand der Unterhaltung erfuhr, meinte er, daß eben jede Generation
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