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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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die
Sitten der nächsten zu verdammen pflege. Er selbst wolle kein Urteil über einen
Tanz, den er nie gesehen habe, abgeben. Deshalb forderte er Julian mit einem
freundlichen Lächeln auf, den Walzerschritt zu zeigen.
    «Mr.
Chartley!» protestierte seine Gattin lachend.
    «Als ich
jung war, tanzte ich sehr gerne», sagte der Rektor nachdenclich. «Meine Güte,
was für Kerle waren wir! Immer fidel, wie ihr jungen Leute sagen würdet.»
    Darüber
mußten alle lachen. Und als er seiner Gattin sagte, er hoffe zwar, daß keines
seiner Kinder jemals die Grenzen des Anstands überschreiten werde, wünsche
aber auch nicht, daß seine Tochter als Mauerblümchen dasitze, schlug Mrs.
Chartley in gespieltem Unglück die Hände über dem Kopf zusammen und versprach,
ihr Urteil zu überdenken. Zum Schluß wurde Julian überredet, Patience die
erste Lektion zu erteilen. Er wurde dabei geschickt von Miss Jane Chartley
unterstützt, die nicht nur ihre ältere Schwester nötigte, mit Julian
anzutreten, sondern auch die Musik beistellte. Das tat sie mit großem Selbstbewußtsein
und soviel Gefühl für den Rhythmus, daß ihre Mama sich wunderte, wieso sie
Walzer spielen konnte. Ihre überkorrekte Gouvernante hatte ihr das sicher
nicht beigebracht.
    Patience
tanzte sehr gerne, und sobald sie die erste Nervosität überwunden hatte,
zeigte sie sich als gelehrige Schülerin. Sie hielt sich noch ein bißchen steif,
als sie zum erstenmal Julians Arm um ihre Taille fühlte, doch bald meisterte
sie die Schritte und den Rhythmus des Tanzes.
    «Bravo!»
rief der Rektor und klatschte in die Hände. «Sehr hübsch! Wirklich sehr
hübsch!»
    «Oh, Papa,
meinst du das im Ernst?» rief Patience eifrig. «Ich war doch so ungeschickt und
vergaß immer meine Schritte. Aber wenn du es nicht für unschicklich hältst,
möchte ich es gerne korrekt lernen. Es ist sooo lustig!»
    Dieser
impulsive Ausruf war es, der Mrs. Chartley später zu den Worten veranlaßte:
«Mein lieber John, ich wundere mich über deine Ermunterung zu diesem
unanständigen Tanz! Als sie durch das Zimmer glitten, seine linke Hand ihre
rechte über den Köpfen haltend, berührte seine Rechte ihre Taille!»
    «Wegen der
Führung, meine Teure», sagte der Rektor. «Lindeth hat keine verliebten
Absichten. Eigentlich hätte ich Patience lieber ein bißchen weniger steif
gesehen – aber ich glaube, sie war aus Unwissenheit steif.»
    «Ich glaube
beinahe, du selbst würdest Walzer tanzen wollen!» sagte Mrs. Chartley strenge.
    «Nein –
nicht in meinem Alter», sagte er schuldbewußt. Ein Schmunzeln huschte über sein
Gesicht. «Aber wäre Walzer, als ich ein junger Mann war, modern gewesen –
natürlich vor meinen Weihen –, ich hätte
ihn getanzt, und mit dir, meine Liebe. Hätte er dir mißfallen?»
    Ein
Grübchen erschien auf ihren Wangen, aber sie sagte: «Meine Mutter hätte so
etwas nie erlaubt! Erwartest du im Ernst, daß ich Patience in der Umarmung
eines Mannes durch einen Ballsaal wirbeln lasse? Denn anders kann ich das nicht
nennen.»
    «Nun, du
kannst am besten beurteilen, was sie tun darf, und ich muß es dir überlassen,
meine Liebe. Aber ich sage offen, ich möchte keinesfalls, daß Patience an der
Wand sitzt, während ihre Freundinnen – wie du es nennst – durch das Zimmer
wirbeln.»
    «Nein, das
nicht!» stimmte Mrs. Chartley bei, von diesem Aspekt schwer betroffen. «Nein,
keinesfalls!»
    «Nichts
läge mir ferner als zu wünschen, daß sie ihre Freundinnen aussteche; aber
manchmal habe ich schon gedacht: Wenn sie auch Tiffany nicht an Schönheit
übertreffen kann, ist sie doch die viel bessere Tänzerin.»
    Diese Worte
machten Mrs. Chartley nachdenklich. Sie war noch nicht überzeugt, aber ihr
Urteil war ins Wanken geraten. Obwohl der Rektor es nicht wissen konnte, hatte
seine Anspielung auf Tiffany ihre Wirkung nicht verfehlt. Sie war zwar,
gottlob, keine Dame von Welt, aber auch keine Heilige (oder eine so
unnatürliche Mutter), daß es sie unberührt gelassen hätte, ihre Tochter in den
Schatten gestellt zu sehen, und das von einem frühreifen kleinen Ding, bis zum
Übermaß wild, so eitel wie schön, charakter- und talentlos. Der Himmel war ihr
Zeuge, sie war keine kupplerische Mutter. Ungleich anderen Damen der Gesellschaft
machte sie nie den kleinsten Versuch, ihr Kind Seiner Lordschaft aufzudrängen.
Aber als sie die beiden im Tanz betrachtete, huschte ihr der Gedanke durch den
Kopf, daß die beiden bemerkenswert gut zueinander paßten. Lindeth

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