Georgette Heyer
«Morgen darfst du nicht müde sein, denn zu Madame du
Deffands Soirée mußt du einfach kommen! Condé ist bestimmt dort.»
Léonie
lächelte geisterhaft und fing Avons forschenden Blick auf. «Mein Kind, was hat
dich dermaßen um deine Ruhe gebracht?» Sie schlug die Augen voll auf.
«Nichts,
Monseigneur, gar nichts! Ich habe nur ein bißchen Migräne.»
«Das
wundert mich keineswegs.» Milady schüttelte weise den Kopf. «Wir haben diese
Woche jeden Abend bis in die späte Nacht hinein außer Haus verbracht. Es ist
meine Schuld, daß ich es soweit kommen ließ.»
«Aber,
Madame, es war doch fort amusant!» sagte Léonie. «Ich habe solch ein
Vergnügen daran gehabt!»
«Ich auch,
bei Gott!» bemerkte Rupert. «Es waren zwei tolle Monate, und nun weiß ich kaum,
ob ich auf dem Kopf oder auf den Füßen stehe. Machst du dich schon auf den Weg,
Hugh?»
«Wir sind
für vier Uhr bei de Châtelet eingeladen», erklärte Hugh. «Ich will dir schon
jetzt gute Nacht sagen, Léonie. Du wirst bereits im Bett liegen, wenn wir
zurückkehren.»
Sie reichte
ihm mit niedergeschlagenen Augen die Hand. Sowohl er wie Marling küßten ihr die
schlanken Finger. Hugh rief Rupert ein Scherzwort zu, dann entfernten sich die
beiden.
«Speisest
du zu Hause, Justin?» fragte Milady. «Ich muß mich umkleiden gehen und
anordnen, daß mich die leichte Chaise zu Julie bringe.»
«Ich werde
meinem Kind beim Diner Gesellschaft leisten», sagte Avon. «Danach soll sie zu
Bett gehen. Und du, Rupert?»
«Nein, ich
breche sofort auf», sagte Rupert. «Muß noch etwas mit d'Anvau besprechen. Komm,
Fan!»
Sie
entfernten sich. Avon trat auf das Sofa zu, auf dem Léonie saß, und zerrte
leicht an einer ihrer Locken.
«Kind, du
bist merkwürdig schweigsam.»
«Ich dachte
nach», erwiderte sie ernst.
«Worüber, ma
mie?»
«Oh, das
sage ich Ihnen nicht, Monseigneur!» sagte sie lächelnd. «Wollen wir – wollen
wir Piquet spielen, bis das Diner aufgetragen wird?»
Während Sie
Piquet spielten, erschien Lady Fanny auf einen Sprung, um ihnen gute Nacht zu
sagen und Léonie zu beschwören, ja gleich nach dem Diner zu Bett zu gehen. Sie
küßte Léonie, die sie zu ihrem Erstaunen schnell, aber innig umarmte. Rupert
verließ gemeinsam mit Fanny das Haus, und Léonie blieb allein mit dem Herzog
zurück.
«Nun sind
sie fort», sagte sie in sonderbarem Tonfall.
«Ja, Kind.
Hast du etwas dagegen?» Seine Gnaden teilte mit geschickter Hand die Karten
aus.
«Nein,
nein, Monseigneur. Heut abend benehme ich mich albern.»
Sie
spielten, bis das Diner aufgetragen wurde, und begaben sich dann in den großen
Speisesaal, wo sie sich an der Tafel niederließen. Avon schickte nach kurzer
Zeit die Diener fort, worauf Léonie einen erleichterten Seufzer von sich gab.
«Wie nett»,
bemerkte sie. «Ich freue mich, wieder allein zu sein. Ob wohl Rupert heute
abend viel Geld verlieren wird?»
«Hoffentlich
nicht, Kind. Wir werden es morgen aus seiner Miene lesen können.»
Sie
antwortete nicht und begann nur, ohne Seine Gnaden anzusehen, an einer
Süßigkeit zu knabbern.
«Du ißt zu
viele Süßigkeiten, ma fille», sagte er, «kein Wunder, daß du so blaß
bist.»
«Sehen Sie,
Monseigneur, ich habe nie welche gegessen, bevor Sie mich Jean abkauften»,
erklärte sie.
«Ich weiß,
Kind.»
«Daher esse
ich jetzt zu viele», setzte sie fort. «Monseigneur, ich bin sehr froh, daß wir
heute abend allein beisammen sind.»
«Du
schmeichelst mir», sagte er mit einer Verbeugung.
«Nein. Seit
wir nach Paris zurückkehrten, bin ich kaum je mit Ihnen allein gewesen, und ich
habe mir – ach, wie oft! – gewünscht, Ihnen für Ihre Güte zu danken.»
Stirnrunzelnd
blickte er auf die Walnuß hinab, die er knackte.
«Ich habe
mir nur selber eine Freude bereitet, Kind. Ich glaube, ich sagte dir schon
einmal, daß ich kein edler Held bin.»
«Bereitete
es Ihnen Freude, mich zu Ihrem Mündel zu machen?» fragte sie.
«Augenscheinlich, ma fille, sonst hätte ich's nicht getan.»
«Ich bin
sehr glücklich gewesen, Monseigneur.»
«Wenn dem
so ist, ist's recht», sagte er.
Sie stand
auf und legte ihr Mundtuch nieder.
«Ich werde
immer müder», sagte sie. «Hoffentlich gewinnt Rupert heute abend. Und Sie
auch.»
«Ich
gewinne immer, Kind.» Er öffnete ihr die Tür und begleitete sie zum Fuß der
Treppe. «Ich wünsche dir eine gute Nachtruhe, ma belle.»
Plötzlich
fiel sie auf ein Knie, preßte seine Hand an ihre Lippen und beließ sie eine
Weile
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