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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
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ließ sich Schreibzeug kommen.
Geschäftig eilte der Wirt mit dem Tintenfaß herbei und erkundigte sich, ob
Monseigneur irgendwelche Erfrischungen zu sich zu nehmen wünsche. Seine Gnaden
bestellte eine Flasche Canary-Wein so wie drei Gläser und ließ sich sodann
nieder, um seiner Cousine zu schreiben. Ein leichtes Lächeln umspielte dabei
seine Lippen.
    «Teuerste
Cousine, hoffentlich
haben Sie sich zu dem Zeitpunkt, da Sie diese Botschaft erhalten, bereits von
der schlimmen Indisposition erholt, die Sie übermannt hatte, als mir vor drei
Tagen das Vergnügen zuteil wurde, Sie zu sehen. Zu meinem höchsten Bedauern
sehe ich mich gezwungen, Sie in neuerliche Ungelegenheiten zu stürzen, doch ich
muß Sie wohl oder übel ersuchen, sobald als möglich hierherzukommen. Gaston,
der Ihnen dieses Schreiben überbringt, wird Sie begleiten. Packen Sie bitte
Koffer für einen längeren Aufenthalt, denn ich habe die Absicht, bei nächster
Gelegenheit nach Paris zu reisen. Mein Mündel weilt, wie Sie mit Freuden vernehmen
 werden, in
Gesellschaft Lord Ruperts bei mir in diesem reizenden Dörfchen.
    Ihr
ergebenster und gehorsamster Diener Es empfiehlt sich Ihnen, liebste Cousine,
Avon.» Noch immer lächelnd, setzte Seine Gnaden schwungvoll seine Unterschrift
unter die Zeilen. Die Tür öffnete sich und Léonie trat ein, in einen Schaum von
weißem Musselin gehüllt, eine blaue Schärpe um die Taille, ein blaues Band in
ihrem Haar.
    «Monseigneur,
ist es nicht lieb von Lady Fanny, mir dieses hübsche Kleid zu senden? Ich sehe
nett darin aus, finden Sie nicht?»
    Der Herzog
hob sein Lorgnon vor das Auge.
    «Du siehst
bezaubernd aus, mein Kind. Lady Fanny hat einen untadeligen Geschmack.» Er
stand auf und nahm eine flache Samtkassette vom Tisch. «Ich bitte dich, dies
als kleines Zeichen meiner Zuneigung zu dir anzunehmen, Kind.»
    Léonie
hüpfte auf ihn zu.
    «Noch ein Geschenk, Monseigneur? Ich
finde, Sie sind schrecklich lieb zu mir! Was ist es denn, darf ich fragen?»
    Seine
Gnaden öffnete die Kassette. Léonies Lippen öffneten sich zu einem tonlosen Oh
der Überraschung.
    «Monseigneur!»
    Der Herzog
hob die Perlenkette aus ihrem samtenen Bett und legte sie ihr um den Nacken.
    «Oh,
Monseigneur, ich danke Ihnen!» sagte sie, nach Atem ringend, und hielt die
lange Kette zwischen den Fingern. «Sie ist herrlich! Oh, wie sie mir gefällt!
Wünschen Sie, daß ich einen Knicks vor Ihnen mache, oder soll ich Ihnen bloß
die Hand küssen?»
    Seine
Gnaden lächelte.
    «Keines von
beiden, Kind.»
    «Ich will
beides tun», sagte Léonie und sank, die Röcke ausgebreitet, ein Füßchen unter
den Musselinfalbeln hervorlugend, zu Boden. Dann küßte sie dem Herzog die Hand
und erhob sich wieder. Und schließlich begutachtete sie Seiner Gnaden Kleidung.
    «Das ist
ein hübscher Anzug, finde ich», sagte sie.
    Avon
verneigte sich.
    «Er gefällt
mir», fuhr Léonie fort. «Monseigneur, ich fühle mich jetzt sehr tapfer. Was
werden Sie diesem Schweinekerl antun, wenn er herkommt?»
    «Ich werde
die Ehre haben, dich vorzustellen, meine Liebe», antwortete Avon. «Lasse ihm
deinen hochmütigsten Knicks zuteilwerden. Wir werden ein Spielchen spielen.»
    «Ja,
wirklich? Aber ich möchte nicht vor ihm knicksen. Ich möchte ihm etwas zuleide
tun.»
    «Glaube
mir, es wird ihm eines Tages sehr leid tun, aber noch ist die Zeit nicht
gekommen. Halte dir vor Augen, ma fille, daß du bist jetzt meinen heißgeliebten
Freund noch nicht gesehen hast.»
    «Pah, was
soll das?» fragte sie. «Ich kenne ihn wohl, und er kennt mich!»
    «Setze doch
ein bißchen deine Phantasie in Bewegung», seufzte Seine Gnaden. «Der liebe Graf
hat meinen Pagen Léon gestohlen. Du bist mein Mündel, Mademoiselle de
Bonnard.»
    «Oh!» rief
Léonie zweifelnd aus. «Enfin, ich muß höflich sein?»
    «Sehr höflich, Kind. Und
merke dir, du und ich sind aus Gesundheitsgründen
hier. Wir wissen nichts von Entführungen oder üblen Getränken
oder selbst – äh – Schweinekerlen. Kannst du schauspielern?»
    «O ja,
Monseigneur! Wird er schauspielern, glauben Sie?»
    «Ich habe
allen Grund zu glauben, Kind, daß er meinem Beispiel folgen wird.»
    «Warum,
Monseigneur?»
    «Weil er
ein Geheimnis hat, von dem er argwöhnt, daß ich es kenne, Kind. Aber da es ein
höchst entehrendes Geheimnis ist, würde es ihm nicht behagen, daß ich darum
weiß. Wir kämpfen miteinander, siehst du, aber während ich meinen Weg klar vor
mir sehe, tappt er im dunklen.»
    «Oh, ich
verstehe!»

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