Gepeinigt
theatralischen Stöhnen aufgerissen. Er blätterte eine Seite zurück. Wieder zwei nackte Frauen, diesmal zusammen mit einem Mann mit einem gekünstelten ekstatischen Gesichtsausdruck. Mehr brauchte er nicht zu sehen. Er schloss alle Programme und löschte die von ihm aufgerufenen Links, wodurch angeblich auch sämtliche Cookies entfernt wurden. Er wusste zwar nicht, was die Polizistin von ihm wollte, aber es schien ihm ratsam, seinen Computer zu säubern. Dennoch fragte er sich, ob dadurch wirklich alles gelöscht wurde. Oder konnte ein Computerfreak mit den nötigen Kenntnissen alles rekonstruieren? Wahrscheinlich. Er hätte schreien können vor Frustration.
Stattdessen trat er ans Bett und rüttelte Tammy an der Schulter.
»Los, aufwachen!«
Sie blinzelte und schlug schwerfällig die Augen auf. Dann schob sie seine Hand weg und zog eine Schnute, wie es nur Huren hinbekamen.
»Wieso hast du mich aufgeweckt?«, quengelte sie.
Spencer hasste sie regelrecht. Sein Mund verzog sich verächtlich. Die Zimmertemperatur schien um zehn Grad zu steigen.
»Du musst verschwinden, Baby. Sofort.«
Sie wälzte sich auf die Seite und präsentierte ihre Hängebrüste.
»Ich muss gar nichts«, beschwerte sie sich und schob die Unterlippe noch weiter vor, wie ein Fisch, der am Haken
hing. Dabei streckte sie die Hand nach seinem schlaffen Penis aus.
Spencer packte sie am Unterarm, damit sie merkte, dass es ihm ernst war.
»DrauÃen stehtâne verdammte Polizistin. Zieh dich an und verschwinde.«
Sie funkelte ihn böse an. So hatte sie sich den »Morgen danach« offensichtlich nicht vorgestellt. Er auch nicht.
»Kann ich erst duschen?«, fragte sie gereizt.
»Nicht so laut! Nein, kannst du nicht!«, zischte er.
»Kann ich wenigstens pinkeln?«
Er fragte sich allmählich, was er sich dabei gedacht hatte, ausgerechnet sie aufzugabeln. Und die Kopfschmerztabletten wollten auch nicht wirken. In seinem Schädel steckte immer noch dieser Hubschrauber mit den wirbelnden Rotorblättern. Gott, er hatte dieses Leben so satt!
»Tammy, du kriegst von mir einen Extra-Zwanziger, wenn du innerhalb von zehn Sekunden verschwunden bist.«
Wieder diese Fischschnute. Aber immerhin setzte sie sich jetzt in Bewegung. Spencer fand derweil seine Brieftasche. Sobald sie angezogen war, führte er sie zum Hinterausgang und drückte ihr die Scheine in die Hand. Dann schlug er ihr die Tür vor der Nase zu. Und betete, dass sie sich nie, nie wieder in seinem Leben blicken lieÃ.
Zurück im Schlafzimmer, klopfte es zu seiner Ãberraschung an der Tür.
»Alles klar da drinnen, Mr. Gray?«
Er wollte schon antworten, überlegte es sich aber anders. Er hatte sie aufgefordert, im Wohnzimmer zu warten, und soviel er wusste, war sie dazu verpflichtet. Sollte sie sich gedulden, bis er so weit war.
Er warf das feuchte, muffige Handtuch beiseite und trat
unter die Dusche. Wenige Sekunden später lieà er sich zu Boden gleiten und blieb apathisch unter dem Wasserstrahl sitzen.
Er musste an die ordinäre Tammy denken, die er soeben rausgeworfen hatte. Mit ihrer grässlichen, vermeintlich verführerischen Schnute. Sein Magen rebellierte schon wieder. Früher hatte er nur mit den schärfsten Bräuten geschlafen. Aber keine dieser Beziehungen hatte länger gehalten. Es ist schwer, sich mit einer einzigen Frau zufriedenzugeben, wenn die Weiber Schlange stehen. Aber all das hatte sich geändert, nachdem das Nummer-Eins-Album seiner Band aus den amerikanischen Charts gerutscht war. Und auch aus den australischen. Die Auflösung der Band hatte nicht das vollkommene Aus bedeutet. Die Leute hatten immer noch gerne dafür bezahlt, den Leadsänger zu sehen. Nur eben nicht mehr ganz so viel. Und in kleineren Sälen. Der Karriereknick hatte ihn noch etwas gelehrt: Die schönen Frauen hatten ihn nie wirklich gemocht. Und er mochte keine, die nicht umwerfend aussah. Und so war es weiter abwärts gegangen â¦
Jetzt war er siebenunddreiÃig, hatte nie geheiratet, keine Kinder â jedenfalls nicht, dass er wüsste â und trat in kleinen Vergnügungsparks und in Golf-, Boot- und Kegelklubs für Familien auf. Aber das war immer noch nicht der absolute Tiefpunkt. Der absolute Tiefpunkt ist dann erreicht, wenn man in irgendeinem jämmerlichen kleinen Kaff wie Mount Dempsey aufwacht und für Sex bezahlen muss, an den
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