Geraeuschkiller - Mutige Liebe
der Kapelle liegen.
Sie setzte
sich auf die Knie und starrte wie hypnotisiert zu dem Licht hinüber. Es schnitt
einen rötlich schimmernden Kegel in den nachtschwarzen Wald, züngelte über das
Dickicht, flackerte, als wollte es sie zu sich winken.
Sie fröstelte.
Ihr Knöchel schmerzte. Ich will dieses Haus nie mehr betreten, dachte sie. Nie
mehr. Ich werde die Polizei holen, und sie werden Pedro befreien.
Doch das
Licht fesselte ihren Blick. Verbarg sich dort etwas, was sie dem Geheimnis des
versiegelten Smaraggs näher brachte? Sollte sie dem Ruf des Lichts nachgeben?
Aber sie hatte doch alles versucht ... und versagt. Sie wandte sich ab, kroch
im Schutz des hohen Grases in den Wald hinaus. So aufgewühlt war sie, dass ihr
zunächst nicht auffiel, wie still es um sie war.
Totenstill.
Das Gras,
das sie mit ihren Händen und Knien zu Boden drückte, die Zweige, die unter ihr
knickten – alles geschah lautlos. Absolut lautlos. Erst jetzt bemerkte sie es.
Nicht einmal ihren eigenen Atem hörte sie!
Der
Schutzschild, dachte sie. Hier wirkt er nicht mehr!
Sie
versuchte zu hüsteln – und hörte es nicht.
»Das darf
nicht sein«, flüsterte sie – und hörte ihr Flüstern nicht.
Sie schrie
auf vor Wut und Angst, schrie in die Nacht – nichts war zu hören.
Goldmund
hat die Stimmen aufgesaugt! Die Erkenntnis traf sie wie ein Schwertschlag.
Dragu hat es angekündigt, er hat es wahr gemacht, dachte sie. Weil ..., weil
ich versagt habe.
Sie sank
auf den Boden, weinte und hörte es nicht.
Im Haus
hatte sie fast vergessen, wie furchtbar die Lautlosigkeit lastete. Nun drückte
die Stille sie mit brutaler Wucht nieder.
Es gab
keinen Ausweg. Aus und vorbei. Sie erinnerte sich an die Zeit, als die Welt
erfüllt war von Stimmen, Geräuschen und Klängen. Und Pedro! Die Entdeckertouren mit ihm! Wie
er lächelte, wie er tanzte, seine ernsten Augen unter den schwarzen Locken,
seine Hand, die ihre Finger zärtlich streichelte, die blauen Flecken in seinem
Gesicht, weil er sie vor Armin Wolfrum in Schutz nahm und dafür verprügelt
wurde.
Du warst immer für mich da, Pedro! Sie sah sein totenweißes
Gesicht vor sich, die Pantherohren, die Träne in seiner Halsmulde. Du
bist alles für mich, Pedro, flüsterte sie und hörte sich nicht.
Da
tauchten wie von fern Dragus Worte in ihrer Erinnerung auf: »Wenn du das Geheimnis
des grünen Smaraggs enträtselst, dann ... vielleicht …«.
Ich darf
nicht aufgeben! Ich muss es finden, dachte sie. Sie atmete tief durch und kroch
auf das erleuchtete Kellerfenster zu. Es war nur angelehnt. Eine steinerne
Wendeltreppe führte nach unten. Das muss die Treppe sein, die vom Flur abgeht,
überlegte sie. In das wuchtige Felsengemäuer waren Fackeln eingelassen. Der
Feuerschein züngelte über die steinernen Stufen, als wollte er Clara in die
Tiefe locken.
Und da
spürte sie es wieder, das Prickeln, das ihr von ihren Entdeckertouren vertraut
war. Ganz schwach war es, kaum erkannte sie es wieder. Aber es war da. Sie
überlegte nicht lange und zwängte sich durch das Kellerfenster.
Feuchtkalte
Luft schlug ihr entgegen. Auf Zehenspitzen stieg sie die Steintreppen hinunter.
Immer kälter wurde es. Ab und zu erleuchteten Fackeln mit ihrem flackernden
Schein die Stufen. Wie magisch zog die Wendeltreppe sie in die dunkle Tiefe.
Dann
allmählich wurde es heller. Am Ende der Stufen öffnete sich ein Spitzbogen im
Gemäuer. Sie presste sich an die Mauer. Das Blut hämmerte ihr in den Ohren. Zentimeter
für Zentimeter schob sie sich weiter, bis sie um die Ecke lugen konnte.
Vor ihr
öffnete sich ein kreisrundes Gewölbe. Es mochte den Durchmesser einer Zirkusmanege
haben. Über den marmornen Bodenplatten rundeten sich glatt geschliffene
Granitplatten zu einer Halbkugel. Ein Erwachsener konnte aufrecht darin stehen.
Feuerschalen erleuchteten den Raum und warfen zuckende Schatten an die Wände.
Vier Sarkophage aus schwarzgrünem Marmor umstanden das Rund, sie schimmerten
düster im Feuerschein.
Das muss
die Schlossgruft sein!, dachte Clara
Sie
schnupperte. Es
lag wieder dieser wundersame betäubende Duft in der Luft. Ein Geruch nach
verbranntem Motorenöl und Diesel überlagerte ihn.
Sie kniff
die Augen zusammen. Dort, im Schatten eines Sarkophags, was war das?
Motorräder? Sie täuschte sich nicht, dort standen wirklich drei Motorräder! Wie
kamen die hierher?
Eines war
schwarz lackiert und mit handgezeichneten goldenen Zierlinien dekoriert. Ein
anderes erinnerte sie an Fotos, auf denen sie
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