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Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Titel: Geraeuschkiller - Mutige Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Severini
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Kristine, seine Ex-Frau. Und genau
wie Pedro, unser Sohn, dachte Miguel. Ich habe ihn nicht ernst genommen. Wie
die leise nagende Stimme in mir. Ich habe sie immer beiseite gewischt.
    Irgendwann
war sie plötzlich nicht mehr da gewesen, diese Stimme. Damals hatte er
überrascht in sich hineingehorcht – nur für einen kurzen Moment. Denn so genau
wollte er es gar nicht wissen. Sie war wirklich nicht mehr da.
    Er war
darüber erleichtert gewesen, aber auch ein bisschen traurig, denn er fühlte an
der Stelle eine beunruhigende Leere. Nur für einen Augenblick. Dann griffen
schon wieder die Termine nach ihm. Seither hatte er sie vergessen, diese leise
Stimme.
    Das ist
lange her, dachte er.
    Doch jetzt
richtete die Stille ein Vergrößerungsglas auf sie. Jetzt hörte er sie. Ganz
deutlich. In jeder Zelle seines Körpers saß sie. Und schrie nach Geborgenheit,
nach menschlicher Wärme, nach Trost. Aber da gab es niemanden. Niemanden, der
ihm nahe stand. Er hatte auch nie jemanden gebraucht. Ich war mir immer selbst
der beste Freund, dachte er.
    Der Gedanke
an Pedro, wie er blass und mit rot geweinten Augen seinen Hund fest an sich
drückte, als er die beiden in seiner Talkshow präsentieren wollte, trieb ihn
hart um.
    Er rollte
sich auf dem Boden zusammen. Die Dunkelheit umfing ihn. Jetzt gab es nichts
mehr, was ihn ablenkte.
    Wie lange
er so da lag, er hätte es nicht sagen können.
    Plötzlich
spürte er, dass jemand im Raum war. Er hörte es nicht, roch es nur. Es näherte
sich. Es duftete, duftete vertraut. Anna!, dachte er. Das ist Anna.
    Sie stupste
ihn an der Schulter und beugte sich über ihn. Er umarmte sie. Es tat so gut,
ihren warmen Körper zu spüren. Lange verharrten sie so.
    Irgendwann
knipste Anna das Licht an und zeigte ihm die Notizen auf ihrem Schreibblock.
Jetzt erst sah er ihr vom Weinen verquollenes Gesicht.
    »Wir
warten auf dich«, stand
da geschrieben. »Menschen
sind völlig verstört. Rundfunk- und Fernsehanstalten haben Betrieb eingestellt.
Überall Chaos. Wollen Gebärdensprache der Taubstummen über deinen Sender
verbreiten. Machst du mit?«
    Er nickte und drückte
sie fest an sich.

Die Gruft
     
    Wie lange
saß sie nun schon in dem muffigen Zimmer fest? Von dem Modergeruch, der aus dem
Bett aufstieg, hatte sie Kopfschmerzen.
    Ich habe
kein Gefühl mehr für die Zeit, dachte Clara. Wie oft hatte sie sich auf dem
staubigen roten Bett hin und her gewälzt, wie oft war sie auf und ab gegangen,
hatte durch das Schlüsselloch gespäht und immer wieder an ihren Fingernägeln
gekaut. Die Fingerkuppen waren schon blutig davon. Und unentwegt quälte
sie Pedros Anblick.
    Es
dämmerte. Ihr war  flau vor Hunger. Und durstig war sie auch. Wo blieb nur
Dragu?
    Nichts
rührte sich im Haus. Sie lauschte angespannt. Nichts. Gar nichts.
    Wenn sie
nur weglaufen könnte, weit, weit weg! Sie lehnte den Kopf gegen das Fenster. Es
war hoffnungslos. Draußen lag dunkel und unheimlich der Wald und die lautlose
Welt.
    Was mochte
dort draußen geschehen sein, seit Dragu sie hier gefangen hielt? Wie viel Zeit
war vergangen? Drei Tage, vier Tage? Sie hatte das Gefühl dafür verloren. Die
Eltern, Knut, Anton – sie hielten sie sicher für tot.
    Ihr Kopf
war wie ausgebrannt. Ich halte das nicht mehr aus, dachte sie. Plötzlich riss
sie das Fenster auf.»Ich bin hier! Holt mich raus – hier bin ich! Hier!«,
schrie sie hinaus in die Dämmerung.
    Vielleicht
hörte sie jemand, ein Radfahrer im Kiefernwald, ein Spaziergänger, ein
Suchtrupp – irgendwer! Sie wusste nicht, dass Goldmund auch die menschliche
Stimme vertilgt hatte, dass niemand sie hören konnte.
    Aus dem
Garten drang frische Abendluft herein. Es duftete nach Sommer, nach Harz und
nach Meer. Der weiße Dünenstrand am Rand des Kiefernwalds musste ganz in der
Nähe sein.
    Ohne zu
überlegen kletterte Clara auf das Fensterbrett, presste die Lippen aufeinander,
damit ihr beim Aufprall auf den Boden kein Laut entfuhr. Dann sprang sie. Sie
fiel in hohes Gras. Ein Stechen durchfuhr ihren Knöchel. Sie hielt sich die Hand
vor den Mund, um nicht aufzuschreien vor Schmerz. Vorsichtig bewegte sie ihren
Fuß. Auch das noch – verknackst!
    Hastig
krabbelte sie an der Hausmauer entlang. Das hohe Gras kitzelte sie im Gesicht.
Ihre Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Vor Aufregung bebte
sie am ganzen Leib.
    Als sie auf
Händen und Füssen um die Hausecke kroch, sah sie aus einem Kellerfenster Licht
dringen. Sie hielt inne. Der Keller musste unterhalb

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