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Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Titel: Geraeuschkiller - Mutige Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Severini
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deshalb schob sie sich einige Zentimeter nach vorne. Jetzt sah sie
ihn.
    Auf dem
Boden, in der Mitte der Gruft, entdeckte sie einen Kreis aus Granitscherben. Er
mochte den Durchmesser eines Autoreifens haben. Ohrthor stand darauf und wiegte
sich langsam von einem Fuß auf den anderen. Er trug eine schwarze abgewetzte
Motorradkluft und Bikerboots. Die steinernen Scherben schoben sich bei jeder
Bewegung ächzend gegeneinander. Von daher kam das Geräusch! Das Malmen und
Bersten pflanzte sich in hundertfachem Echo fort. Plötzlich seufzte es dicht
neben ihrem Ohr, stöhnte und schrie von den Wänden und hallte hundertfach in
der Gruft nach. Clara horchte angespannt. Sie konnte es nicht genau verstehen.
Es hörte sich an wie:»Frei sein! Frei, frei!«
    War das
nicht der Schrei, den sie gestern Nacht im Garten gehört hatte? Sie schaute zu
Ohrthor hinüber. Er senkte gerade den Kopf und blieb reglos im Widerhall seines
Schreis stehen, bis er ganz verklang.
    Dann
plötzlich zerriss ein steinernes Bersten die Stille – Ohrthor trat aus dem
Scherbenrund heraus, und ehe Clara sich gefasst hatte, war er verschwunden.

Das Labor
     
    Sie rührte
sich nicht. Wartete. Es blieb still.
    Wie kam sie
hier wieder raus? Sie überlegte fieberhaft. Sollte
sie die Treppen hoch rennen, die sie gekommen war? Sie lagen ihr gegenüber.
Daneben ein Portal aus Ebenholz. Es stand einen Spalt breit offen.
    Ihre
Glieder wurden starr von der Kälte, die vom Steinboden aufstieg. Mit einem Mal
hörte sie den heiseren Singsang eines Schlaflieds.
    Ein Mann
murmelte es mehr, als dass er es sang. Es war das Schlaflied, das ihre Mutter
oft an ihrem Bett gesungen hatte! Es kam vom Ebenholzportal her.
    Sie musste
sehen, was dahinter vor sich ging . Wie in Zeitlupe kroch sie unter dem
Sarkophag hervor, um nur ja kein Geräusch zu machen, vorsichtig tappte sie
hinüber, spähte durch den Türspalt und fuhr zurück.
    An einer
Felswand sah sie Ve-Uto. In gleichförmiger Bewegung suchte er eine riesige
Grotte ab. Feuerschalen beleuchteten die Felsen. Durch den Türspalt drang der
wundersame Duft, den sie so gut kannte, intensiver als je zuvor.
    In der
Mitte der Grotte stand Ohrthor. Er wandte ihr den Rücken zu. Er war es, der das
Schlaflied murmelte! Vor ihm, auf einem steinernen Altar, lag ein Mann. Reglos.
Sein Gesicht konnte sie nicht sehen. Ohrthor stand davor. Aber der Mann war
nicht tot. Manchmal ruckte sein rechtes Bein.
    Neben ihm
stand der schwarze Koffer. Aufgeklappt.
    Ohrthor
beugte sich über ihn. Das machte den Blick frei auf … Knut! Der rotblonde
Lockenschopf, das gutmütige Gesicht! Das war ihr Freund Knut! Sie presste beide
Hände auf ihren Mund, damit ihr kein Stöhnen entfuhr.
    Ohrthor
richtete sich wieder auf und summte das Schlaflied vor sich hin. Was hatte
Dragu einmal gesagt? »Goldmund ist sehr musikalisch.« Offenbar regte ihn das
Lied zu einem weiteren Kunststück an. Denn er spie unentwegt einen hauchdünnen
silbergrünen Faden aus, wie eine Spinne.
    Ohrthor
spann damit einen silbergrünen Kokon um Knut. Claras Mund wurde trocken vor
Grauen. Was steckte da in Knuts Herz? Etwas wie eine Kanüle! Sie schien aus
Gold zu sein,  winzige Blitze durchzuckten sie. Meterweise nahm sie den
silbergrünen Faden in sich auf. Clara biss sich in die Handkante, um einen
Aufschrei zu unterdrücken. Auch in Knuts Ohren steckten goldene Kanülen, durch
die hauchfeine Blitze jagten.
    »Spinn,
Fädchen, spinn«, sang Ohrthor in seinem merkwürdigen rauen Singsang das
Schlaflied weiter, dessen Melodie sie so gut kannte. Aber es waren andere
Worte. Wie eine Zauberformel murmelte er sie vor sich hin. Clara lauschte
angespannt:
     
    »Spinn,
Fädchen, spinn,
    Füll die
Menschen mit deinem Gespinst.
    Da drinnen
ist es still und leer,
    Ist alles
fort
    An einem
sicheren schwarzen Ort.«
     
    An einem
»sicheren schwarzen Ort«? Meinte er die schwarzen Smaraggs? Dragu hatte gesagt,
»Menschenherzen, Menschenseelen« seien in ihnen gespeichert. Und sie hatte mit
ihren eigenen Ohren Pedros Atem und seinen Herzschlag in dem schwarzen Smaragg
gehört.
    Es sah so
aus, als würde Ohrthor über die Kanülen den Körper Knuts mit dem Silberfaden füllen.
Dragu hatte Recht: Der Mann war ein Irrer.
     
    »Spinn,
Fädchen, spinn.
    Verknüpfe
Ohr und Herz ganz fein,
    Damit sie
endlich hören
    Die Not und
all die Pein.«
     
    Jetzt griff
er zu einem Skalpell, setzte es an Knuts Ohr an und schlitzte ein Loch in die
Ohrmuschel. Knut schien nichts zu spüren, er rührte sich

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