Geraeuschkiller - Mutige Liebe
für seinen ersten Auftritt ein und setzte sein publikumswirksames
Strahlemannlächeln auf, das diesmal - zugegeben – etwas kläglich wirkte.
»Gutn bnd,
min Dmn und Hrrn, ich begrüß Si zu minr nun Tlkshow, di brndktull uf di Wltlg
zugschnittn ist. Wir bitn Ihnn dzu Sprchkurs in Modrn Spk n.«
Im
Untertitel, überlegte er, sollte das dann alles in »Old Speak« übersetzt sein:
»Guten Abend, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu meiner neuen Talkshow,
die brandaktuell auf die Weltlage zugeschnitten ist. Wir bieten Ihnen dazu
Sprachkurse in Modern Speak an.«
Er machte
eine bedeutungsvolle Pause und lächelte seinem Spiegelbild siegesgewiss zu. So,
und jetzt kommt der Knüller, dachte er. Das muss ich stimmlich wie ein
Fünf-Sterne-Dessert rüberbringen:
»Wnn Si
prfkt sind, dürfn Si in minm Stummfilmstudio ›World’s Bst‹ mit dm blibtstn
Kinostr dr Wlt in Libsszn spiln. Und – Si dürfn in Ncht in sinm Schlfzimmr
kuschln!«
Das hieß so
viel wie: »Wenn Sie perfekt sind, dürfen Sie in meinem Stummfilmstudio ›World’s
Best‹ mit dem beliebtesten Kinostar der Welt eine Liebesszene spielen. Und –
Sie dürfen eine Nacht in seinem Schlafzimmer kuscheln!« Zweifellos würde er für
diese Show die größten Stars der Film- und Musikwelt gewinnen können. Das wird
sagenhafte Quoten geben, dachte er.
»Nutz di
Gunst dr Stund. Nutz di Not dr Stund! Ght doch wundrbr!«
Er
zwinkerte sich spitzbübisch zu.
Plötzlich
verkrampfte sich etwas in seiner Kehle. Er bekam keine Luft mehr. Du wirst doch
keinen Asthma-Anfall kriegen!, schoss es ihm durch den Kopf. Er röchelte. Er
griff sich an die Kehle, rang nach Luft. Hilfe!, wollte er schreien. Hilfe, ich
ersticke!
Aber er
brachte nur ein heiseres Flüstern zustande. Etwas schien ihm seine Stimme aus
dem Mund zu saugen.
Schnell
presste er beide Hände vor den Mund. Aber es half nichts. Sein Keuchen wurde
leiser und leiser, bis es verstummte. Vielleicht habe ich einfach nur keine
Kraft mehr zur Lautstärke, dachte er. War alles anstrengend genug gewesen die
Tage. Aber der Schrecken, der wie Eisnadeln in seinen Nacken stach, sagte ihm
etwas anderes.
So schnell
der Anfall kam, so schnell war er vorüber. Miguel konnte plötzlich wieder ruhig
durchatmen. Er räusperte sich – und hörte nichts. Er räusperte sich noch
einmal, vernehmlicher, wie er glaubte.
Nichts.
Er
versuchte zu sagen: Hey, was soll das? Doch es kam kein Ton über seine Lippen.
Nicht einmal ein Stammeln.
Meine
Stimme ist weg! Er schrie. Schrie aus Leibeskräften. Aber sein Schreien war
nicht zu hören. So sehr er sich auch mühte, er brachte nicht einmal einen
leisen Ton zustande. Eine bohrende Leere breitete sich in seinem Hirn aus. Er
sackte auf dem pinkfarbenen Teppich zusammen.
Erst, als
es draußen zu dämmern begann, kam er wieder zu sich. Er erschrak. In der
Spiegelwand sah er einen Menschen auf dem Boden kauern. Einen Fremden! Wie war
der hier rein gekommen? Eingefallene Wangen, die Augen tief in den Höhlen. Ein
Gesicht, das im Dämmerlicht etwas von einem Toten hatte! Ein grässlicher Kerl!
Nur langsam
begriff er, dass der Fremde, den er da sah, sein Spiegelbild war. Das kann
nicht ich sein, dachte er. Ich – Everybody’s Darling? Mit beiden Fäusten schlug
er auf den Spiegel ein. Risse durchzuckten ihn. Zersplitterten sein Gesicht.
Er fing an
zu lachen, schüttelte sich vor Lachen. Ein irres lautloses Lachen, das nicht
aufhören wollte. Bis es ins Weinen umkippte. Ein stummes Weinen, das seinen
ganzen Körper erschütterte. Jahrzehnte war es her, dass er geweint hatte. Als
Kind. Er erinnerte sich genau daran. Dass er jetzt geräuschlos weinte, war so
gespenstisch, dass er meinte, sich übergeben zu müssen. Er rollte sich auf dem
Teppich zusammen, doch das Weinen wollte nicht aufhören. Mittlerweile war es
Nacht geworden und in seinem Wohnzimmer stockfinster.
Diese
Totenstille.
In der es
nichts mehr gab. Nichts. Außer ihm.
Nie zuvor
hatte er so intensiv gespürt, dass er da war. Und nie hatte er sich mit allen
Fasern seines Körpers so sehr nach Geborgenheit gesehnt. Nein, er war nie der
Typ gewesen, der schwächelte. Sein übervoller Terminkalender hatte ihn stets
davor bewahrt.
Nun ja,
manchmal war da etwas gewesen, eine leise Stimme in ihm. Kaum wahrnehmbar hatte
sie sich manchmal gerührt, als wollte sie etwas ganz anderes als
Scheinwerferlicht, Show und Talk ohne Ende. Eine Stimme, die still nach dem Sinn
des Showbusiness gefragt hatte. Genauso wie
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