Geraeuschkiller - Mutige Liebe
nicht. Und doch war er
noch am Leben, denn sein Brustkorb hob und senkte sich unmerklich. Seine Ohren
aber bluteten nicht.
Mit einer
Pinzette fischte Ohrthor jetzt aus einem Einmachglas zwei Wolfsohren. Er
steckte eines nach dem anderen präzise in die Schlitze und umwickelte sie mit
Goldmunds Silberfaden:
»Spinn,
Fädchen, spinn,
Damit die
Worte dringen tief,
Ganz tief
ins Herz hinein.
Und ziehen
ihre Kreise dort,
Wie Wasser,
wenn da fällt hinein
Ganz klein
und fein ein Stein.
Lass sie
tief, ganz tief ins Herz hinein,
Wenn
spricht die Not und Pein.«
Er trat einen
Schritt zurück und betrachtete prüfend sein Werk.
»Gut
gemacht, Goldmäulchen«, sagte er. »Du kannst aufhören.«
Goldmund
grunzte und schluckte den Silberfaden mit einem Rülpsen.
Ohrthor
fuhr sich mit dem Daumen über die Nase. »Ziemlich grobschlächtig der Mann, aber
ein gutmütiges Gesicht hat er. Gerade richtig für meine Experimente.« Er beugte
sich über ihn. »Wolfsohren hören viel schärfer als Menschenohren. Bin gespannt,
was aus dir wird, Fischermann.«
Er zog aus
einem Regal unter dem Altar ein großes schwarz gebundenes Buch heraus. Immer
wieder musterte er Knut und trug Notizen in das Buch ein. Dann wischte er die
Hände an seiner Jacke ab und kam auf das Portal zu, hinter dem Clara sich
verbarg.
Ihr Kopf
wollte zerspringen vor Angst. Schnell weg! Aber wohin? Sie hielt sich die Ohren
zu, um das Geräusch der näher kommenden Schritte zu dämpfen. Gleich würde er
sie entdecken.
Sie schloss
die Augen. Ihr war übel. Zum Erbrechen übel.
Aber
Ohrthor kam nicht. Sie nahm die Hände von den Ohren.
Kein Laut.
Nichts.
Sie öffnete
die Augen. Der Altar, auf dem Knut gelegen hatte, war leer. Auch der Koffer mit
Goldmund war weg.
Ein kalter,
klebriger Schweißfilm überzog ihren Körper, sie fror erbärmlich. Pedro! Pedro!,
hämmerte es gegen ihre Schläfen. Er bringt Knut dorthin, wo Pedro ist!
Nur mühsam
löste sie sich aus ihrer Erstarrung. Ihr Blick fiel auf das schwarze Buch, das
Ohrthor auf dem Altar zurückgelassen hatte! Stand darin etwas über Pedro, etwas
über das Geheimnis des grünen Smaragg? Wenn sie auf allen Vieren hinüber kroch,
konnte Ve-Uto sie nicht sehen, der Altar würde sie verdecken. Auch das Regal
unterhalb der Altarplatte, in dem ordentlich aufgereiht Unmengen dieser
schwarzen Bücher standen, würde sie vor ihm verbergen.
Clara legte
sich auf den Bauch und robbte hinüber.
Aus
den Augenwinkeln sah sie ein Nebengewölbe, in dem so etwas wie ein Chemielabor
eingerichtet war, Rechner standen darin, eine Taucherausrüstung, dazu
Sauerstoffflaschen, wie Taucher sie benutzten. Doch im Augenblick zählte nur
Ohrthors Logbuch.
Sie
erreichte den Altartisch, ging in die Hocke und versuchte nach dem Logbuch zu
greifen,ohne dass Ve-Uto sie entdecken konnte.
Sie
bekam nur ein Eck zu fassen, das Buch fiel lärmend auf den Boden. Egal! Sie
schlug es auf, blätterte fieberhaft darin.
Die
Seiten waren übersät mit merkwürdigen Zeichen, sie ähnelten den Hieroglyphen,
die sie aus dem Ägyptischen Museum kannte. Die Schreibrichtung aber verlief
nicht von oben nach unten, sondern von rechts nach links. Auch die Seite mit
seiner letzten Eintragung zu Knut enthielt nur diese rätselhaften Zeichen.
Feinsäuberlich notiert, das war die Handschrift eines Perfektionisten.
Nirgendwo
fand sie etwas, was sie verstanden hätte. Sie griff hastig nach dem Buch, das
ganz links außen im obersten Regal stand, als wäre es das erste von allen.
Endlich Worte, die sie lesen konnte! In ordentlicher Handschrift stand da
gleich auf der ersten Seite geschrieben:
Gekündigt!
Diese Arschlöcher haben mir gekündigt! Tag und Nacht habe ich im Labor auf der
Tauchinsel malocht. Und jetzt, kurz vor dem Durchbruch, werfen die mich raus!
Und der Projektleiter, dieser Mistkerl, schleimt mich obendrein noch zu:
» Sie
sind der beste Bioniker, den wir je hatten, werter Herr Kollege Dornheim, wie
kein anderer schauen Sie den Pflanzen und Tieren des Meeres ihre genialen
Erfindungen ab. Umso mehr bedauern wir, dass wir uns von Ihnen trennen
müssen. Die Gelder für unser Forschungsprojekt gehen zur Neige. Sie wissen ja
selber in welchen Zeiten wir leben. Aber Sie sind ein gefragter Mann, Herr
Kollege, morgen haben Sie in einem anderen Unternehmen sicher wieder eine
neue Aufgabe. «
Mistkerl! Ein paar
Experimente noch, und ich hätte die Materie entwickelt, die die Bionik
revolutioniert ! Jetzt werdet ihr es nie
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