Geraeuschkiller - Mutige Liebe
mit seinem Jungen.
Er legte
seine Hand auf Annas Haar, ganz vorsichtig, damit er sie nicht aufweckte.
Diese
furchtbaren Monate hatten sie zusammengeschweißt. Er spürte ihren Atem auf
seiner Hand. Wie gerne hätte er ihn auch gehört! Er drückte seine Nase in ihr
Haar und schloss die Augen. Ihr Duft beruhigte ihn. Vielleicht wäre sie die
richtige Frau für mich, dachte er. Aber sie ist vergeben. Und eine treue Seele,
sie würde ihren Mann niemals betrügen. Er seufzte.
Die Ursache
der großen Stille lag immer noch im Dunkeln, auch wenn die Medien andere
Nachrichten verbreiteten, um die Menschen ruhig zu halten, das verlangte die
von oben verordnete Informationspolitik. Auch die Nachricht, die heute
Nachmittag über seinen Redaktionsserver bei ihm eingegangen war, durfte nicht
publik werden:
» Die Serie von
Einbrüchen in die Ostseebank hat heute Nacht ihren Höhepunkt erreicht. Die
Einbrecher nutzten kaltblütig das große Chaos, um in die Hauptstadtzentrale der
Ostseebank einzudringen und sie restlos auszurauben. Hier lagerten die gesamten
Gold- und Geldbestände der Großbank. Über den genauen Hergang des Verbrechens
ist noch nichts bekannt.«
Für die
Bankkunden bedeutete das: Ihr Gold und Geld waren weg. Nur Miguel und ein paar
ausgewählte Journalisten erhielten Informationen wie diese.
Der
Bundesinnenminister hatte strengste Nachrichtensperre verhängt. Die Leute
sollten nur das erfahren, was notwendig war, damit sie das tägliche Leben
meistern konnten. Bloß keine Katastrophenstimmung schüren. Erlaubt war hingegen
eine Nachricht wie diese:
»Moritz
von Girach, der Präsident der Ostseebank wolle den Bankkunden helfen, die durch
den Raub fast alles verloren haben. Er werde einen Teil seines Jahresgehaltes
von 18 Millionen Euro zu sehr günstigen Zinsen an sie verleihen.«
Dieses Aas,
dachte Miguel. Ich möchte wetten, dass Girach selber in seine Bank eingebrochen
ist. Mit diesem noblen Angebot tarnt er sich nur und verdient auch noch daran.
Aber Miguel
war zu erschöpft, um weiter darüber nachzudenken. Es wäre auch aussichtslos
gewesen in diesem totalen Chaos, das rundum herrschte, Nachforschungen
anzustellen. Doch er wollte Girach nicht aus den Augen verlieren, das schwor er
sich, und irgendwann im entscheidenden Augenblick ...
Das
wichtigste war im Moment seine Fernseharbeit auf die Notlage abzustimmen.Sein
Sender musste die Menschen ablenken, er musste verhindern, dass sie auf dumme
Gedanken kamen und in Panik gerieten. Das war das oberste Gebot.
Deswegen hatte
er heute stundenlang sein Archiv nach Auslandsfilmen mit Untertiteln
durchstöbert. Als nächstes würde er alle deutschsprachigen Spielfilme
untertiteln lassen. Er wusste gar nicht wo anfangen, so viel war zu tun. Die
Leute saßen mittlerweile Tag und Nacht vor dem Fernseher, am liebsten zum
Public Viewing in Kneipen und Gemeindesälen. In Gemeinschaft fühlten sie sich der
entsetzlichen Stille nicht so ausgeliefert.
Mir geht es ja genauso,
sagte Miguel lautlos zu sich selber. Es tut gut, nicht allein zu sein in dieser
Zeit.
Der Geheimgang
Es tropfte
kalt auf ihr Augenlid.
Sie drehte
den Kopf zur Seite. Bohrender Schmerz. Jetzt tropfte es auf ihre Schläfe. Ihre
Augen brannten, und als sie die Lider öffnete, durchfuhr ein Stechen ihre
Augäpfel. Sie konnte nichts sehen. Nur schwarz.
Panische
Angst stieg in ihr auf. War sie blind? Ein beißender Geruch nach Meer und
Seetang nahm ihr fast den Atem. Jetzt merkte sie, dass sie rücklings im Wasser
lag! Wasser bedeckte ihre Hände und Arme, reichte ihr bis über die Ohren. Ihre
Jeans und das T-Shirt klebten nass und kalt an ihrem Körper.
Sie wollte
den Kopf heben, doch die kleinste Bewegung schmerzte. Alles fühlte sich wund
an.
Sie tastete
mit einer Hand um sich – fühlte Felsengrund, Felsenwände und etwas wie einen steinernen
Treppenabsatz. Bei jeder Bewegung gluckerte das Wasser und hallte im Dunkeln von
überall her wider.Unter Schmerzen drehte sie sich auf den Bauch.
Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, erkannten Konturen. Sie
befand sich in einer Höhle!
Sie
flüsterte: »Hilfe!«
Hilfe … Hilfe … echote es von den
Wänden. Sie hielt sich die Ohren zu. Kein Mensch würde sie hier finden!
»Nichts ist
unmöglich, wenn du feste dran glaubst!«, morste ihr Hirn, wo sie diese Worte
gehört hatte, wusste sie nicht. Sie versuchte sich aufzurappeln, doch ihre
Beine versagten. Und wo sollte sie auch hin? Die Steintreppe hoch? Nein. Der
Treppenabsatz
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