Gérards Heirat
Nichts! Dann sprang er wütend die Treppe hinunter, um die Frau des Webers zu fragen, und traf mit Regina Lecomte zusammen, die ihm ein zusammengefaltetes Papier hinreichte. Er riß es ihr aus den Händen, – aber ach! es war nur die Zeitung aus der Kreishauptstadt, die noch unberührt in dem gräulichen Kreuzband steckte!
»Sind Sie sicher, daß nicht eine Einladung für mich zum Ball in Salvanches gekommen ist?«
»Meine Tante hat nichts in Empfang genommen,« entgegnete Regina, während ein schadenfrohes Leuchten durch ihre grauen Augen zuckte.
Frank erblaßte bis zu den Lippen.
»Das muß ein Versehen sein,« flüsterte er mit erstickter Stimme.
»Nein, es ist kein Versehen,« sagte die Nähterin kurz und bündig; sie war über das Mißgeschick ihres alten Kameraden durchaus nicht unglücklich.
»Was wissen denn Sie?« grollte er und warf ihr einen stechenden, giftigen Blick zu.
»Ich weiß es,« wiederholte Regina unbarmherzig, »weil ich gerade in Salvanches war, als Fräulein Georgine ihrer Mutter vorschlug, Sie einzuladen, worauf Frau Grandfief trocken antwortete: ›Nein, nein, ich gebe nicht gerne gemischte Gesellschaften ...‹ Ist Ihnen dies deutlich genug?«
Der kleine Bucklige verstummte. Dumpfer Zorn erfüllte sein Herz, Thränen der Wut und der Demütigung quollen aus seinen geröteten Augen. Regina bemerkte dies; sie bereute ohne Zweifel, ihm den Schlag so schonungslos versetzt zu haben, denn sie begann in liebevollem Ton:
»Ich habe Ihnen wehe gethan, armer Frank; aber es ärgert mich, wenn so gescheite Leute wie Sie sich in dieser Weise lächerlich machen, und ich kann das nicht mit ansehen, ohne Sie zu warnen!«
Finoël schwieg noch immer. Die Nähterin legte freundschaftlich ihre Hand auf seinen Arm.
»Sehen Sie,« fuhr sie fort, »diese reichen Leute zeigen uns wohl manchmal ein freundlich Gesicht, aber sie verachten uns doch und glauben, sie seien aus einem anderen Teig gebacken. Ich weiß es gut, ich arbeite ja im Taglohn bei ihnen und habe feine Ohren. Halten Sie sich zu Ihresgleichen, Frank, die haben Sie wenigstens um Ihrer selbst willen lieb. Was ist denn dieser Ball so Großes? Wenn Sie neugierig sind und wissen wollen, was dort geschieht, so werde ich's Ihnen erzählen; ich bin bestellt worden, um den Damen beim Ablegen zu helfen; ich kann Ihnen nachher von jeder sagen, was sie angehabt hat, und Sie sollen auch den Namen eines jeden erfahren, der mit Fräulein Laheyrard getanzt hat.«
Jedes Wort, das Regina sprach, drang wie ein Pfeilin Finoëls Herz; bei dem letzten Satz aber zuckte er zusammen vor Schmerz; er stieß die Hand der Nähterin heftig zurück und rief:
»Sie quälen mich, ich bin krank und will allein sein.«
Regina ging achselzuckend hinaus und warf die Thüre heftig ins Schloß. Frank setzte sich ans Fenster. Die Nacht war prächtig; der tiefklare Himmel wimmelte von Sternen; alle Augenblicke durchschnitten Sternschnuppen den Himmelsraum und glitten leise hinter die Bäume des Gartens des Gymnasiums. Man hätte glauben können, es werde im Himmel ein großes Fest, ein geheimnisvoller Sternenball gefeiert. Finoës tiefverletztes Herz schwoll von Haß und Neid. Er hätte wünschen mögen, daß diese tausende und aber tausende von funkelnden Gestirnen plötzlich als Feuerregen auf diese Stadt herabfielen, in der man ihn wie einen Paria behandelte ...
Wie verschieden doch die Eindrücke sein können! Der Bucklige betrachtete grollend die glitzernden Sterne, und die fallenden Meteore riefen in seinem Geist nur das Bild eines unheilvollen Zusammensturzes hervor. – Zweihundert Schritte weiter oben aber blickte Gérard von Seigneulles aus seinem kleinen Zimmer traumverloren zu dem sternenbesäten Himmel empor und hing seinen Gedanken nach. Die Klänge von Helenens Klavier drangen aus der Ferne zu ihm; er erinnerte sich jeder Bewegung, des unbedeutendsten Wortes, welches das junge Mädchen gesprochen hatte, und während sein trunkener Blick der lichtvollen Flucht der Sternschnuppen folgte, verglich er diese in seiner Schwärmerei mit strahlenden Lilien, die wie ein Liebesregen auf das Haus der Geliebten herabsanken.
Siebentes Kapitel.
Die Ankündigung des Festes bei der Familie Grandfief hatte ganz Juvigny in Bewegung gesetzt; während acht Tagen wurde in der oberen und in der unteren Stadt von nichts anderem gesprochen. In Salvanches waren, wie man sagte, die Räume im ersten Stockwerke, die seit Jahren bei festlichen Gelegenheiten nicht mehr benutzt worden
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