Gérards Heirat
waren, ganz neu hergerichtet worden; man hatte von weit her Blumen kommen lassen, und der Ball sollte mit einem in Paris bestellten Abendessen beschlossen werden. Die Schneiderinnen blieben bis Mitternacht auf, um Kleiderleibchen auszuschneiden, Tüll zu kräuseln und Besätze zu sticken. Auch die Wagenvermieter rieben sich vergnügt die Hände; denn Salvanches war eine halbe Stunde von der Stadt entfernt und ihre Wagen waren alle, vom einfachen Gesellschaftswagen mit Radachse bis zur verstaubten, in hohen alten Federn hängenden, mit einem zweistockigen Tritt geschmückten Halbchaise im voraus bestellt.
Endlich war der große Tag gekommen. Von acht Uhr an stand die Familie Grandfief unter den Waffen und erwartete ihre Gäste auf der Schwelle des Empfangszimmers, denn in Juvigny geht man früh zum Balle, da die Damen in Pünktlichkeit wetteifern, um die besten Plätze zu bekommen. Herr Grandfief, ein schüchterner, friedlicher Mann, vertrieb sich, in die weiße Halsbinde eingezwängt und von seinen Lackstiefeln gedrückt, die Zeit des Wartens damit, daß er, auf den Fußspitzen gehend, die Lampen ein wenig herunterschraubte und die Kerzen in den Leuchtereinsätzen befestigte. Sein Sohn Anatolius, ein zwölfjähriger Gymnasiast, war stolz auf seinen neuen Anzug und machte unermüdlich immer neue Anstrengungen, seine Hände in strohgelbe Handschuhe hineinzuzwängen, während Georgine vor einem Spiegel stand und sich im Fächerspiele übte. Aufrecht und majestätisch,wie eine Königin, schritt in hellrotem Sammetgewand, das ihre knochigen Schultern bescheiden enthüllte, Frau Grandfief einher; sie warf bald einen letzten Blick in das Empfangszimmer, in den Billardsaal, in dem getanzt werden sollte, bald in die Garderobe, in der Regina mit Hilfe einer Kammerjungfer die Nummern und Stecknadelkissen zurecht legte. Zwischen diesem Hin- und Hergehen richtete sie an Mann und Kinder feierliche Ermahnungen. »Georgine,« sagte sie zu ihrer Tochter, »Du wirst nicht mehr als einmal mit demselben Herrn tanzen.«
»Nein, Mama ... Und mit Herrn von Seigneulles?«
»Nur zweimal ... In den Zwischenpausen soll ein wenig musiziert werden, du wirst den Gesang auf dem Klavier begleiten.«
»Ich glaube, ich höre einen Wagen,« rief der Gymnasiast, der in der Galerie auf der Lauer lag.
In der That ließ sich auf dem Sande des mit venetianischen Lampen erhellten Gartens das Rollen von Rädern hören. Die ganze Familie versammelte sich wieder auf der Schwelle des Empfangszimmers und nahm eine der Gelegenheit entsprechende Haltung an. Bald hörte man Damenkleider auf der Treppe rauschen.
»Es sind die Basen Provenchères!« flüsterte Anatolius, der einen verstohlenen Blick in die Garderobe geworfen hatte.
Die Grandfiefs nahmen sofort statt ihrer feierlichen Stellungen eine verächtlich gleichgültige Miene an. »Puh!« zürnte Herr Grandfief, »die kämen am liebsten schon ehe ein Licht angezündet ist.«
»Georgine,« sagte Frau Grandfief, »bringe du sie selbst irgendwo unter, damit sie nicht gleich die besten Plätze in Beschlag nehmen.«
Die Damen Provenchères waren arme Verwandte, die man aus Pflichtgefühl einlud und rücksichtslos behandelte. Da kamen alle drei in einer Reihe herein mit dem geschraubtenWesen, das Leuten eigen ist, die nicht viel in Gesellschaft kommen.
Die Töchter, schon sehr gereifte junge Mädchen, trugen zu enge Kleider, kleine Schuhe, deren schadhaft gewordenes Oberleder sie selbst mit neuem Atlas überzogen hatten, und weiße Handschuhe, deren zahlreiche Schrammen für die emsige Thätigkeit des Radiergummis zeugten. Die Mutter hatte eine Art Ueberwurf aus kastanienbrauner Levantine an und eine mit künstlichen Trauben geschmückte Haube auf dem Kopf.
»Wie schön es hier ist, Cousine,« sagte sie mit einem neidvollen Blick auf die kerzenschimmernden Kronleuchter, »und überall Blumen! ... Allein im Treppenhause müßt ihr für über hundert Franken haben ...«
Nun langten die Gäste einer um den anderen an. Feierliche Stadträte, ihre mageren Gattinnen am Arm, die in ihren Moirékleidern erstarrt zu sein schienen; reiche Fabrikanten mit heiterem Antlitz und lärmendem Wesen; junge Mädchen in Wolken von weißem Tüll; dann die jungen Leute: angehende Advokaten, Professoren, sorgfältig rasierte, frisch behandschuhte Supernumerare, und die Söhne einiger Spinnerei- und Hüttenbesitzer aus der Nachbarschaft, die an ihrer eleganteren Kleidung und ihrer größeren Sicherheit, die ihnen ihre Stellung
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