Gérards Heirat
Gelächter der Gäste, das Klappern der Gabeln und Teller und die wunderbaren Erzählungen der Jäger übertönten diese Unterhaltung. Der Dichter, von seinen eigenen Reden trunken und von seinen Nachbarn, die sein Glas keinen Augenblick leer ließen, angefeuert, wurde immer beredter, je größer der Lärm an der Tafel wurde. Ueberspannte Vergleiche, sonderbare Bilder, lyrische Ergüsse strömten, vermischt mit cynischen Erinnerungen, von seinem Munde.
»Beim Zeus,« sagte er plötzlich, »ich glaube, Sie geben mir die Wasserflasche! Pfui über diesen Gänsewein! Halten Sie mich für einen Wassertrinker, wie meinen edlen Freund Gérard von Seigneulles?«
»Ich glaubte Herrn Gérard zu treffen,« sagte der Nachbar rechts, »man sieht ihn neuerdings nirgends mehr.«
»Sein Vater hält ihn in Groß-Allard eine Weile in Haft,« antwortete der Nachbar zur Linken, der Notar in einem nahe bei dem Meierhof gelegenen Dorfe war; »ich habe sagen hören, der junge Mann habe ein zu leicht entzündbares Herz, und Herr von Seigneulles habe ihn aufs Land geschickt, damit er sich etwas beruhige, wie man den Wein in den Keller legt, um ihn aufzufrischen.«
»Haha!« lachte Marius, »ein schönes Versprechen, das man nicht hält!«
»Was wollen Sie damit sagen, junger Mann?«
»Ich sage,« entgegnete der Dichter, »daß die Liebe der Drohungen der Väter und der Kerkerpforten spottet. Man kann nicht immer an alles denken ...«
Der Notar blinzelte seinen Nebensitzern zu, wie um ihnen anzudeuten, daß er den Dichter geschickt ausholen wolle. »Wie?« erwiderte er, »behaupten Sie, der junge Seigneulles sei nicht in Groß-Allard?«
»Er ist dort und ist nicht dort,« antwortete Marius mit drollig geheimnisvollem Wesen. – Plötzlich bemerkte er, daß der kalte Blick Frau Grandfiefs fest auf ihm ruhte und kam wieder ein bißchen zu Vernunft.
»Pst! Sie wollen mich zum Plaudern bringen, Gevatter; aber ich bin verschwiegen wie das Grab ... Ich werde Ihnen nicht erzählen, in welchem grünen Waldwinkel dieser junge Endymion die Diana seiner Träume finden wird ... Trinken wir eins!«
Der Champagner war entkorkt worden, und der schäumende Wein perlte lustig rings um den Tisch. »Ihr Wohlsein, junger Mann,« sagte der Notar und stieß mit Marius an, »machen Sie uns aber keine solche Flausen mehr vor. Es ist weit von der Meierei bis Juvigny und, mag er so verliebt sein, wie er will, so wird es doch niemand einfallen, drei Meilen hin und drei Meilen zurück zu laufen, nur um unter dem Fenster seiner Dulcinea zu girren.«
»Was wissen denn Sie davon?« entgegnete Marius, durch den Widerspruch gereizt. »Sie sprechen wohl wie der Blinde von der Farbe! Für Liebende ist nichts unmöglich. Der Wald bietet ihnen seine belaubte Einsamkeit, und die Buchen im Höllengrund sind dicht genug, um das Flüstern der Liebe nicht bis zu den Ohren der Schwätzer dringen zu lassen ...«
Er glaubte nur halblaut zu reden, sprach aber, wie alle, denen der Wein die Zunge löst, sehr laut, und seine Worteübertönten das Geräusch der einzelnen Gespräche. Frau Grandfief, aufrecht auf ihrem Stuhle sitzend, hielt ihre Achataugen fest auf Marius Laheyrard gerichtet und verlor kein Wort von dieser Unterhaltung.
»Sie glauben also, daß sie sich im Höllengrund treffen?« wiederholte der Notar hinterlistig.
»Wer hat vom Höllengrund gesprochen?« stotterte Marius; »ah, du Notar, du, du bist eigensinniger als ein Maulesel; du versteckst deine Gedanken, um die meinen zu erfahren! Aber ich habe nichts gesagt und werde nichts sagen ... Reinen Mund gehalten! die Freundschaft ist mir heilig ... Ich bringe mein Glas der Göttin der Verschwiegenheit, der Stille der Wälder und der leidenschaftslosen, olympischen Poesie!«
Von diesem Augenblick an hatte Marius nur noch ein undeutliches Bewußtsein von dem, was um ihn herum vorging. Durch die Nebel der Trunkenheit schienen Frau Grandfiefs Augen auf seine Vernunft zu wirken, wie der starre Blick einer Schlange, die einen Vogel bannen will. Beim Nachtisch erhob sich jemand, um zu singen und erregte furchtbares Gelächter; dieser selbe Jemand stürzte, als er seinen Platz verlassen wollte, schwer auf den Rasen nieder, und Marius hatte ein unbestimmtes Gefühl, als ob er derjenige sei, der sich so unschicklich benahm. Er wiederholte beständig: »Die Beine zittern, aber der Kopf ist fest!« Trotz seines Widerstandes fühlte er sich von zwei mitleidigen Armen aufgehoben und in einen leichten, zweiräderigen Wagen
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