Gérards Heirat
sich getäuscht hätten, würde ich später zu sehr darunter leiden.«
»Ich liebe Sie,« rief er leidenschaftlich, »ich liebe Sie und mein Leben gehört Ihnen.«
Sie senkte das Haupt. – »Teilen Sie mir mit, was Sie seit unserem letzten Abend erlebt haben...«
Gérard erzählte ihr alle seine Leiden, während sie aufgeregt kurze Pinselstriche auf die Leinwand warf; er erzählte langsam; es war so gut sein in dieser schattigen Einsamkeit. Braune und blaue Libellen schwebten über den Wasserpflanzen, der Geißbart erfüllte die Luft mit seinem Duft, und die Minuten, süßer als dieser Duft, entflohen noch schneller als die Libellen. Während er plauderte, pflückte Gérard am Rande des Wassers Minzen, Weiderich und Enzian und streute die Blümchen alle vor Helenen aus.
»Laßt euch nicht stören, junges Volk!« rief plötzlich eine Stentorstimme, die sie erzittern machte.
Es war Marius, der soeben in dem Weidengebüscherschien und wie ein Faun in seinen langen blonden Bart hineinlachte. Helene verzog schmollend den Mund, und Gérard erhob sich, rot wie eine Klatschrose.
»Warum erröten Sie, junger Daphnis?« fuhr der Dichter fort, »halten Sie mich für einen eifersüchtigen Cyklopen oder für einen unmenschlichen Bruder? ... Auch ich kenne die Leiden der Liebe und vermag sie nachzufühlen ... Ich stehe immer zu den von Vormündern und Vätern verfolgten Liebenden.«
»Marius, keinen Unsinn!« rief Helene ungeduldig.
»Bei Phöbus Apoll!« fuhr er fort, »ich spreche im Ernst... Gérard liebt dich, sein Vater tyrannisiert ihn, Mutter Laheyrard verbietet dir, ihn zu sehen. Ich bin auf der Seite der Jungen gegen die Alten und ihr könnt auf mich zählen ... Freund Gérard, Sie sind ein Ehrenmann und wollen meine Schwester heiraten?«
»Das ist mein heißester Wunsch und mein einziges Dichten und Trachten,« antwortete Gérard ernst.
»Gut, so schlagen Sie ein!« rief Marius und reichte ihm seine breite Hand, »wir werden diese Alten schon zur Vernunft bringen und in Bälde werden wir singen: Hymen, Hymenäos! ...«
Helene war purpurrot geworden. »Es ist spät geworden,« sagte sie, »wir müssen gehen!«
»Erlauben Sie mir, Sie hier wieder zu treffen?« wagte Gérard schüchtern zu fragen.
»Ich weiß nicht,« sagte sie zögernd und sah bald Gérard, bald ihren Bruder an.
»Und warum denn nicht?« rief Marius ungeduldig; »werde ich nicht auch dabei sein und wird dies nicht genügen? ... Ich möchte niemand raten, etwas Unrechtes darin zu sehen! ...«
Sie schüttelten sich alle drei die Hände und Gérard kehrte fröhlichen Herzens auf den Meierhof zurück.
Dreizehntes Kapitel.
Seit dieser Begegnung hatten sich Gérard und Helene mehr als einmal im Höllengrund getroffen. Marius begleitete seine Schwester stets; aber als wenig störender Beschützer ließ er die Liebenden allein, sobald sie an der Quelle angekommen waren, und wanderte im Walde umher oder nahm im Wirtshause von Savonnières einen Imbiß ein.
Als der erste September kam, verzichtete Marius ganz auf seine Mentorrolle, um mit den Jägern von Juvigny die Ebene zu durchstreifen. Helene und Gérard waren ganz sich selbst überlassen, aber die Gewohnheit war einmal angenommen und war zu süß, als daß man den Mut gehabt hätte, sie wieder aufzugeben. Ihre Zusammenkünfte waren das einzige in ihrem täglichen Leben, was Wert für sie hatte.
Helene gewann gerade durch die Offenheit ihrer Liebe und die Aufrichtigkeit ihres Herzens eine mutige Heiterkeit, die ihr über die Angst vor dem Gerede der Leute, aus der die landläufige Moral zur Hälfte besteht, hinweghalf. Sie verstand nichts von jenen klugen Zugeständnissen, jener heimlichen Gewandtheit, durch welche sich die Bewohner kleiner Städte, die immer voreinander auf der Hut sind, auszeichnen.
In Liebesangelegenheiten zeigt sich die Pariserin, trotz des Skeptizismus, von dem sie angekränkelt ist, und trotz ihrer anscheinenden Leichtfertigkeit, weit natürlicher und unbefangener als die Kleinstädterin.
Helene glaubte an Gérards Liebe; sie wußte, als sie in den Höllengrund ging, um ihn zu treffen, daß sie sich in den Augen der Welt eine Unvorsichtigkeit zu schulden kommen lasse, aber in ihrem Gewissen fühlte sie sich nicht schuldig. Wenn man die Herzen der beiden jungen Leute erforscht hätte, würde man gewiß in Gérards schüchternem Geist mehrBedenken und Vorurteile entdeckt haben als in Helenens starker, von reiner Leidenschaft erfüllter Seele.
Unterdessen war der Herbst
Weitere Kostenlose Bücher