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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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brauchen die Hotelreservierung so schnell wie möglich, so früh wie möglich vor unserer Abreise. Die meisten Hotelreservierungen werden Wochen oder Monate vor dem Flug gemacht.«
    »Heißt das, ich soll mich anziehen und fertig machen?«
    Ich nickte.
    Sie setzte sich auf die Bettkante und frottierte ihre Haare.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte ich. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, sollten wir als Eheleute reisen.«
    Sie drehte sich um und sah mich an. »Sehe ich aus, als hätte ich ein Problem damit?«
    »Gut. Dann geben wir Ihrem Freund Ehenamen für unsere Reservierungen. Nehmen wir jüdische Namen?«
    »Nein. Wir würden einen Israeli nicht eine Sekunde lang täuschen. Ich bin ein braves jüdisches Mädchen, das aus der Art geschlagen ist und einen Goi geheiratet hat, einen Nichtjuden. Überlassen Sie mir das Reden.«
    Rachel nahm ihr Hemd vom Bett und kehrte damit ins Badezimmer zurück. Ich hörte, wie das nasse Handtuch auf der Duschstange landete; dann kam sie mit nichts als dem Hemd am Leib ins Zimmer. Es reichte bis halb auf die Oberschenkel, doch es war nichts darunter, und der Anblick überließ herzlich wenig der Fantasie.
    »Ich muss mich hinlegen«, sagte sie. »Wecken Sie mich, wenn Sie fertig sind.«
    Ich sah auf die Uhr. Viertel vor sechs. Wenn ich sie jetzt schlafen ließ, war das ein Fehler – andererseits war es vielleicht besser, als bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten. Auch ich fühlte mich nicht fit genug, um jetzt schon aufzubrechen. Ich hatte seit zwei Tagen nicht richtig geschlafen, und ich hatte Schmerzen in Muskeln, die ich seit Jahren nicht mehr benutzt hatte.
    Rachel schlug die Bettdecke zurück, schlüpfte unter sie und legte sich auf den Bauch, mit dem Gesicht zu mir. Ihre dunklen Augen waren glasig vor Müdigkeit, doch auf ihren Lippen stand die Spur eines Lächelns.
    »Ich kann kaum noch denken«, sagte sie leise. »Sie?«
    »Ich bin halb tot.«
    »Wissen Sie, warum ich in Wirklichkeit hier bin?«
    »Weil Sie Angst vor dem Sterben haben?«
    »Nein. Weil ich mehr Angst vor dem Nicht-Leben habe als vor dem Sterben. Ergibt das einen Sinn für Sie?«
    »Ein wenig, ja.«
    Sie glitt tiefer unter die Decke. »Sie verstehen nicht, David. Mein Sohn ist tot. Meine Ehe ist gescheitert. Was habe ich zu verlieren?«
    Rachel hatte mich immer wieder überrascht, doch diesmalklang sie, als redete sie irre. »Ich bin nicht sicher, ob Ihre Eltern …«
    »Wenn ich morgen stürbe, würden meine Eltern zu einem anderen Seelenklempner gehen. Ich sitze tagein, tagaus in diesem Zimmer und höre mir die Geschichten von Leuten an, die unter Depressionen leiden, die voller Wut sind oder paranoid. Ich lausche den Lebensgeschichten anderer Menschen und versuche, einen Sinn darin zu erkennen. Dann gehe ich nach Hause und schreibe Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften darüber.«
    Sie lächelte eigenartig. »Doch diesmal ist alles anders. Diesmal hat mich ein Mann, den ich für halluzinatorisch erklärt habe, in seine Halluzination hineingezogen. Ich bin Alice hinter dem Spiegel. Menschen versuchen mich zu töten, doch ich lebe noch. Und jetzt fliege ich wegen einer Halluzination nach Israel. Weil ein Mann, den ich eigentlich respektiere, plötzlich zu der Erkenntnis gelangt ist, er sei Jesus. Es ist einfach unglaublich.«
    »Sie brauchen dringend ein wenig Schlaf.«
    Sie schüttelte den Kopf, doch ihre Augen ruhten unablässig auf meinem Gesicht. »Schlaf wird nichts daran ändern, wie ich darüber denke.«
    In diesem Augenblick war ich nicht sicher, was sie eigentlich meinte. Ich glitt am Kopfende des Bettes nach unten, bis ich in einer liegenden Haltung angekommen war, stützte den Kopf auf den Ellbogen und blickte über den freien Raum zwischen unseren Betten. Ihre Schultern schimmerten dunkel durch den weißen Stoff des Hemds, und die nassen Haare hingen ihr in die Augen.
    »Worüber reden Sie eigentlich?«, fragte ich sie.
    Ihre Augen blickten durch mich hindurch, wie sie es manchmal in ihrer Praxis getan hatten, als wären all die Wände, die ich seit dem Tod meiner Familie um mich herum errichtet hatte, für sie überhaupt nicht existent. Dann erhellte sich ihre Miene ganz langsam, und sie lächelte mich an.
    »Ich habe keine Ahnung. Warum gehst du nicht duschen?«
    Der Ausdruck ihrer Augen sagte mehr als ihre Worte. Icherhob mich vom Bett, und während ich ins Badezimmer ging, streifte ich meine verdreckten Sachen ab. Nach zwei Tagen der Flucht auf Leben und Tod fühlte sich das heiße

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