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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Hecheln, das auf ihre Worte folgte, ließ mir fast den Atem stocken. Mir blieb vielleicht bald keine andere Wahl mehr, als mich entweder zu ergeben oder mir ein Feuergefecht mit der Polizei zu liefern.
    »Sie hat etwas gefunden!«, rief der erste Mann. »Sieh nur, sie hat eine Spur! Braves Mädchen, weiter so!«
    Ich versuchte nicht zu atmen.
    »Scheiße, es ist ein halber Hotdog!«
    »Warte, sie hat noch etwas!«
    Die Stimmen kamen näher. Rachels Hand zitterte. Wie würde sie reagieren, falls ich zur Waffe griff und feuerte? Dies waren keine Mörder, die in Geli Bauers Auftrag unterwegs waren. Es waren ganz normale Polizisten, die nichts weiter als ihre Arbeit taten.
    »Sie bewegt sich im Kreis«, sagte die zweite Stimme. »Zu viele Gerüche hier drin. Sogar ich rieche Schweiß. Ich schätze, wir müssen später noch mal wiederkommen.«
    »Okay. Sie wollen die Hündin sowieso unten auf dem Bahnsteig haben.«
    Die Stimmen verklangen.
    »Was tun wir jetzt?«, fragte Rachel flüsternd.
    »Warten.«
    »Wie lange?«
    »Sie können die Union Station nicht den ganzen Tag geschlossen halten.«
    »Du glaubst, der Hund kommt zurück?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Ich glaube, ich hab mir vor Angst in die Hose gemacht.«
    »Mach dir deswegen keine Gedanken.«
    »Wird der Hund denn nichts riechen?«
    Das war ein Argument. »Versuch einfach, dich leise zu verhalten.«
    Eine Stunde und fünfundvierzig Minuten später kam eine männliche Stimme durch den Lautsprecher. »Dr. Tennant, hier spricht Officer Wilton Howard vom Washington D. C. Police Department. Wir möchten Sie darüber informieren, dass wir wissen, dass alles ein Missverständnis ist. Man hat uns informiert, dass der Schusswechsel in North Carolina reine Selbstverteidigung war. Wir sind bereit, Sie in Schutzhaft zu nehmen und Ihnen unbeschränkte Kommunikation mit jedem zu gewähren, mit demSie sprechen möchten. Bitte treten Sie zusammen mit Dr. Weiss aus Ihrem Versteck, legen Sie Ihre Waffen nieder und ergeben Sie sich. Man wird Sie nicht wie Kriminelle behandeln.«
    »Was glaubst du?«, fragte Rachel.
    »Ich höre Geli Bauer in dieser Botschaft.«
    »Vielleicht ist es echt? Ich meine, all die Cops im Gebäude haben die Durchsage ebenfalls gehört.«
    »Wenn man ihnen gesagt hat, dass ich ein Terrorist bin, dann werden sie glauben, jede List ist gerechtfertigt, um mich zur Strecke zu bringen. Außerdem glauben sie, dass ich bewaffnet bin.«
    »Bist du?«
    Ich wollte zu einer Lüge ansetzen, doch Rachel musste die Wahrheit erfahren. »Ja.«
    »O Gott.«
    Erneut kam die Durchsage der Polizei durch die Lautsprecher.
    »David …«
    Ich drückte ihre Hand. »Ganz ruhig.«
    Eine weitere Stunde verging, während der in unregelmäßigen Abständen mehr oder weniger starke Variationen der ersten Ansprache durch die Lautsprecher kamen. Einem Impuls gehorchend, sagte ich zu Rachel, dass sie sich hinter dem Vorhang flach auf den Boden legen sollte. Ich tat das Gleiche.
    Der Hund kam nicht wieder, doch weitere Cops tauchten auf. Es klang, als würden sie jede Sitzreihe absuchen. Hin und wieder spürte ich, wie der schwere Vorhang in Bewegung geriet, wenn ein Cop ihn überprüfte. Als sich Schritte näherten, zog ich meinen Revolver aus dem Hosenbund und betete darum, dass Rachel die Nerven behielt. Die schweren Schritte kamen näher und näher, und schließlich hob jemand den Vorhang direkt über mir.
    Ich erblickte ein Stiefelpaar nur wenige Zentimeter vor meinen Augen. Ich hielt den Atem an, unsicher, ob ich entdeckt worden war oder nicht. Der Vorhangsaum tanzte über meine rechte Wange. Dann fiel er wieder herab, und die Stiefel wandertendavon. Der Cop hatte lediglich die Wand abgetastet, um zu prüfen, ob sich jemand hinter dem Vorhang verbarg.
    Mein Herz fühlte sich an wie versteinert.
    Die Stiefel näherten sich erneut. Der Cop kam zurück, um die Wand auf die gleiche Weise zu überprüfen wie bei mir, nur eine Reihe weiter. Ich versuchte, das Geräusch seiner Schritte auszublenden. Nach einer scheinbaren Ewigkeit wurde mir bewusst, dass er an uns vorbei war. Die Suche wurde noch fünf Minuten lang fortgesetzt, bevor das Plärren der Funkgeräte leiser wurde und schließlich erstarb. Ich dachte, dass Rachel dicht vor einem Nervenzusammenbruch stand, doch ich konnte nicht riskieren, mit ihr zu sprechen. Nach weiteren zwanzig Minuten ohne Lautsprecherdurchsagen hörte ich ein mechanisches Zischen und Klacken, das ich als das Zurückspulen einer Filmrolle

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