Geraubte Erinnerung
schließlich geantwortet. »Ob Godin wirklich im Sterben liegt. Und ob Trinity ein Fehlschlag wird.«
»Und?«
»Godin stirbt, aber Trinity wird kein Fehlschlag. Trinity wird Godins Leben retten.«
»Nicht sein Leben«, hatte Ravi eingeworfen. »Nur sein Bewusstsein.«
»Aber das ist die Essenz des Lebens.« Geli war vor Ravigetreten und hatte ein blitzendes Messer aus dem Gürtel gezogen. »Ich könnte Ihr Rückgrat irgendwo zwischen C-eins und C-sieben durchtrennen, und Sie wären auf der Stelle bis zum Hals hinauf querschnittgelähmt. Wenn ich Ihnen die Wahl zwischen Lähmung und Tod ließe, würden Sie sich für den Tod entscheiden?«
Ravi wich zurück. »Ich verstehe nicht, was Sie sagen wollen.«
Geli lächelte fasziniert, und Ravi sah ihre Zunge zwischen den Zähnen blitzen. Er hatte immer geahnt, dass Sex und Gewalt bei ihr in einer seltsamen Verbindung standen, und ihr jetziges Verhalten bestätigte es. Sie spielte mit ihm, und es erregte sie, seine Angst zu sehen.
»Ich wollte auch meinen Vater besuchen«, fuhr sie fort. »Ich hatte dieses einzigartige Vergnügen schon eine ganze Weile nicht mehr.«
Ravi schwieg.
»Und es gibt noch einen dritten Grund, aus dem ich hergekommen bin. Wenn Sie ihn herausfinden, höre ich vielleicht bei Paraplegie auf.«
»Was soll dieses dumme Spiel?«, keifte Ravi. »Skow wird jeden Augenblick hier sein!«
»Können Sie sich das nicht denken?«, fragte Geli.
»Nein.«
»Ich möchte von diesem Gerät gescannt werden.«
Damit hatte er nicht gerechnet. »Warum? Sie wissen doch, dass die MRI-Scans neurologische Nebenwirkungen nach sich ziehen!«
Geli lachte auf. »Die Leute riskieren Nebenwirkungen für so lächerliche Dinge wie kosmetische Chirurgie! Ich riskiere eine Nebenwirkung für die Unsterblichkeit!«
Ravi wollte, dass sie weiterredete.
»Diese Technologie wird für sehr lange Zeit geheim gehalten«, fuhr sie fort. »Nur wenige Menschen werden gescannt. Präsidenten und Genies wie Godin. Vielleicht auch ein paar Halbidioten wie Sie, Nara. Aber keine Sicherheitschefs. Deswegen habe ich heute Nachmittag drei Stunden in diesem Gerätverbracht und ein Bild von meinem Gehirn machen lassen. Eine ziemlich beeindruckende Erfahrung.«
Geli zog die Spritze mit dem Kaliumchlorid aus einer Tasche an ihrem Gürtel.
»Ich frage mich, welche Nebenwirkung sich bei mir zeigen wird?«, sinnierte sie. »Narkolepsie und Epilepsie kann ich nicht gebrauchen. Tourette … auch nicht. Kurzzeitgedächtnisverlust, damit könnte ich leben. Das kriege ich sowieso irgendwann. Aber Ihre Nebenwirkung ist definitiv die beste. Sie passt sogar zu meiner eigentlichen Persönlichkeit.«
Ravi schüttelte den Kopf. Unkontrollierbare sexuelle Zwänge mochten vielleicht lustig klingen, aber nur, solange man nicht darunter litt. Wie jede Zwangshandlung konnten sie einen an den Rand des Selbstmords treiben.
»Ich habe Sie gerne auf den Sicherheitsmonitoren beobachtet«, sagte Geli lachend. »Fünfmal am Tag sind Sie auf die Toilette gerannt, um sich Ihr kleines Ding zu schütteln … Ich habe Sie ein paar Mal meinen Namen stöhnen hören. Erbärmlich, wirklich erbärmlich, Nara.«
Ravi biss die Zähne zusammen und hoffte im Stillen, dass Skow vorhatte, Geli Bauer vom Planeten verschwinden zu lassen. Er dachte verzweifelt über eine Möglichkeit nach, noch ein wenig mehr Zeit herauszuschinden, als Geli ihm ansatzlos gegen die Brust trat.
Er ging zu Boden und prallte hart auf. Bevor er wieder Luft holen konnte, kniete Geli auf ihm und hielt ihm die Spritze an den Hals. Was ihn rettete, war nicht John Skow, sondern der Pager, der ihn zu Godin rief.
Godin hatte ernsthafte Probleme mit der Zunge entwickelt. Er konnte kaum schlucken, und unerträglicher Schmerz verzerrte sein Gesicht. Es waren Bilderbuchanzeichen einer Stammhirngeschwulst, und man konnte nicht das Geringste dagegen tun, außer die Schmerzen ein wenig lindern. Nach einer Stunde hatte er die Kontrolle über seine Zunge zurückgewonnen, doch sein Gesicht erschlaffte zusehends auf der linken Seite.
Während Ravi vorgab, den alten Mann zu behandeln, läutete Godins Mobiltelefon. Geli nahm das Gespräch entgegen. Es war das Weiße Haus. Sie hielt Godin das Telefon ans Ohr, während er lauschte. Ravi konnte nicht hören, was gesprochen wurde, doch er spürte, dass irgendetwas schief gelaufen war.
»Nein, Ewan, mir geht es ausgezeichnet!«, log Godin jovial. »Ich bin so gesund wie eh und je, und ich weiß nicht, was in Skow
Weitere Kostenlose Bücher