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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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den Rasen nicht; das wird von Gärtnern getan. In Oak Ridge haben die Väter den Rasen gemäht, als wären es kleine Fürstentümer, und sie haben Stunden damit verbracht, mit den Nachbarn über die Vor- und Nachteile verschiedener Mäher und Dünger zu sprechen.
    Ich komme um eine Biegung und sehe mein eigenes Haus. Weiß mit grün abgesetzten Kanten und Einfassungen. Von draußen sieht es wohnlich aus, doch es war nie ein Zuhause für mich. Ein schwarzer Labrador springt herrenlos über die Straße, einseltener Anblick in dieser Gegend. Ein Lexus rollt auf mich zu, verlangsamt seine Fahrt, als er mich passiert. Ich winke der Fahrerin zu, einer großen, gebieterischen Frau. Sie starrt mich an, als wäre ich ein gefährlicher Eindringling. Ich überquere die Straße und gehe zu meiner Haustür.
    Meine Hand greift in die Hosentasche und sucht nach dem Schlüssel, dann tastet sie nach dem Türknauf. Ich schiebe etwas ins Schloss, doch … es ist nicht mein Schlüssel. Es ist ein dünnes, metallisches Etwas, wie eine Feile. Ich wackle damit im Schloss. Einen Augenblick lang spüre ich Widerstand, dann ertönt ein Klicken, und das Schloss springt auf. Ich öffne die Tür, schlüpfe nach drinnen und schließe sie rasch wieder hinter mir.
    Meine andere Hand geht in die andere Tasche und berührt etwas Kaltes. Meine Finger schließen sich um Holz, und meine Hand kommt wieder zum Vorschein, mit dem Kolben einer Waffe darin, einer Automatik. Ich kenne die Waffe nicht. Aus der anderen Tasche ziehe ich einen perforierten Schalldämpfer und schraube ihn langsam auf den Lauf. Mit einem satten Geräusch rastet er ein. Irgendwo im Haus höre ich ein leises Klimpern wie von Glas. Jemand scheint in der Küche zu sein. Ich mache einen behutsamen Schritt vor, taste mich prüfend über die Dielenbretter und setze mich in Bewegung …
    Voller Panik riss ich die Augen auf und zerrte meinen Revolver aus dem Hosenbund. Einen Revolver, keine Automatik. Und ohne Schalldämpfer. Ich wollte Rachels Namen rufen, doch ich unterdrückte das Drängen. Mit einer glatten Bewegung rollte ich mich vom Bett, landete auf den Füßen und huschte zur Tür.
    Zuerst hörte ich nichts weiter als ein leises Summen, eine Frauenstimme. Die Melodie klang nach »California« von Joni Mitchell.
    Der Dielenboden im Flur knarrte.
    Ich atmete lautlos ein und hielt die Luft an.
    Die Dielen knarrten erneut. Jemand kam draußen von rechts nach links an meiner Tür vorbei. Ich schloss die Augen und wartete. Ein neuerliches Knarren. Ich zählte langsam bis zehn. Dann streckte ich die freie Linke nach dem Türknopf aus und drehte langsam. Als er sich weit genug gedreht hatte, riss ich die Tür auf, sprang mit einem großen Satz nach draußen in den Flur und zielte mit meinem .38er nach links.
    Zwei Meter vor mir stand ein langhaariger blonder Mann. Er hielt etwas in den ausgestreckten Armen und zielte damit durch die Küchentür. Ich konnte die Hände nicht sehen, doch ich wusste, dass sie eine Automatik hielten. Eine Automatik mit Schalldämpfer.
    Ich drückte ab.
    Es gab keinen Knall und keinen Rückstoß. Ich hatte vergessen, den Hahn zu spannen. Es war ein Double-Action-Revolver, und der Hahn blieb auf halbem Weg nach hinten stehen. Der langhaarige blonde Mann wirbelte zu mir herum, und während ich den Abzug verzweifelt noch weiter durchriss, kam die Automatik in mein Blickfeld. Ich starrte in die schwarze, bedrohliche Mündung, doch in diesem Augenblick schnellte der Hahn meines Revolvers endlich wieder nach vorn, und ein orangefarbener Blitz erhellte den Flur. Ich blinzelte geblendet, und als ich die Augen wieder öffnete, war der Mann verschwunden.
    Stattdessen schrie eine Frauenstimme, dass es mir durch Mark und Bein ging.
    Ich blickte nach unten. Der blonde Mann lag auf dem Boden, und aus seinem Schädel strömte Blut. Ich machte drei Schritte nach vorn und stellte den Fuß auf das Handgelenk mit der Waffe. Das Schreien hörte nicht auf. Ich sah nach rechts. Rachel stand mit dem Rücken vor dem Spülbecken, das Gesicht aschfahl, den Mund weit aufgerissen.
    »Hör auf damit!«, brüllte ich sie an. »Hör auf!«
    Ihr Mund blieb offen, doch der Schrei erstarb.
    Ich zog die Automatik aus der Hand des Mannes, bevor ichseinen Oberarmpuls überprüfte. Er ging nur ganz schwach. Die Kugel war unmittelbar über seinem rechten Ohr in den Schädel eingedrungen. Die grauen Augen des Mannes waren glasig, die Pupillen starr und weit. Ich beugte mich vor und sah freiliegende

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