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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Leute, die uns jagen, sind von ihrer Technologie abhängig. Wären wir in der Zivilisation, auf einem Highway oder in einer Stadt, hätten sie uns längst geschnappt. Hier draußen in der freien Natur sind die Chancen gleichmäßiger verteilt.«
    Sie spielte mit der blau-weißen Bugleine. »Wer ist diese Geli Bauer, die Sie erwähnt haben?«
    Ich war überrascht, dass sie sich den Namen gemerkt hatte, doch es hätte mich nicht weiter verwundern dürfen. Sie hatte noch nie etwas vergessen, das ich ihr erzählt hatte. »Sie ist ein weiblicher Killer, und sie ist es, die uns jagt.«
    »Woher wissen Sie, dass sie ein Killer ist?«
    »Sie war eine Zeit lang bei der Army. Geli spricht fließend Arabisch, also hat man sie vor Desert Storm mit einer Kommandoeinheit im Irak abgesetzt, um gefangene republikanische Garden zu verhören. Sie hat zwei irakische Kriegsgefangene allein deswegen getötet, weil sie nicht mit ihrer Einheit hinter den feindlichen Linien mithalten konnten. Hat ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Selbst die Delta Force Soldiers unter ihrem Kommando waren darüber entsetzt.«
    »Ich glaube, Frauen sind bereits viel weiter, als die meisten Feministinnen glauben.«
    »Nein. Weibliche Meuchelmörder sind eine uralte Tradition. Geli hat Ravi Nara mal einen Vortrag darüber gehalten.«
    »Nach dem, was Sie erzählen, ist diese Geli Bauer eine Soziopathin.« Rachel ließ die Bugleine fallen und rieb sich erschöpft den Nacken.
    »Sie würde eine interessante Fallstudie abgeben, so viel ist sicher«, sagte ich.
    »Glauben Sie, dass sie Andrew Fielding getötet hat?«
    »Ja. Sie kennt sich aus wie niemand sonst mit Drogen, die einen natürlichen Tod vortäuschen, beispielsweise einen Schlaganfall, und sie hat unbeschränkten Zugang zu allem im Trinity Building. Essen, Getränke, Wasser – einfach alles.«
    Ich paddelte kräftiger, und die Brücke über den Cashie kamstetig näher. Rachel blickte über die Schulter zu der massiven Konstruktion. Alle paar Sekunden fuhr ein Wagen über den Fluss. Diese Brücke repräsentierte die Zivilisation. Ich hielt mit Paddeln inne, um meinen schmerzenden Rückenmuskeln eine Erholungspause zu gönnen. Die Stille um uns herum war nahezu vollkommen.
    »Hören Sie, die Vögel«, sagte Rachel.
    Ich lauschte, doch das Geräusch, das ich in der Stille vernahm, war nicht natürlichen Ursprungs. Ein schwaches, rumpelndes Dröhnen kam den Fluss herab. Es konnte ein Motorboot sein, doch meine Eingeweide sagten mir, dass es keines war.
    »Warum sehen Sie plötzlich so besorgt aus?«, fragte Rachel. »Was ist los?«
    Ich starrte zum rechten Flussufer auf der Suche nach einer geeigneten Stelle zum Landen. Falls ein kleines Flugzeug direkt über dem Wasser den Fluss hinunterkam, konnten die überhängenden Zweige uns keine Deckung mehr geben. Das Brummen wurde lauter. Auch Rachel hörte es in diesem Augenblick.
    »Das klingt, als wäre es ziemlich nah«, sagte sie.
    Direkt vor uns war ein Baum in den Fluss gestürzt. Er lag zur Hälfte im Wasser, zur Hälfte an Land. Die toten Äste und Zweige ragten in die Höhe wie Geisterfinger. Der Raum zwischen dem Stamm und dem Wasser war ein idealer Platz für eine lauernde Mokassinschlange, die sich ins Boot fallen ließ, wenn man dumm genug war, auf der Suche nach Fischen dorthin zu rudern. Ich steuerte das Kanu geradewegs in den schmalen Zwischenraum unter den Stamm, wobei ich mich ein wenig wie Hawkeye in Der letzte Mohikaner fühlte. Ich konnte nur hoffen, dass ich ein wenig von seinem Glück hatte.
    Sekunden später berührte der Bug das Ufer, während das Brummen des sich nähernden Motors zu einem lauten Brüllen anschwoll. Ich spähte zwischen den Ästen hindurch und sah genau das, was ich befürchtet hatte: ein kleines Flugzeug, das in sechs Meter Höhe über das Wasser flog, wie ein Vietnampilot, der den Truppen am Fluss Feuerunterstützung gab.
    »Sie können uns nicht sehen, oder?«, fragte Rachel ängstlich.
    »Nicht ohne Infrarotausrüstung, so viel steht fest«, antwortete ich. »Aber vielleicht haben sie Infrarot dabei. Legen Sie sich ganz flach auf den Boden.«
    Sie glitt von ihrem Sitzbrett und legte sich auf den Boden des Kanus. Ich legte mich neben sie. Der Motor des Flugzeugs ließ die Aluminiumhaut des Bootes vibrieren. Wir blieben regungslos liegen, bis das Flugzeug nicht mehr zu sehen war, während wir darauf warteten, dass es zurückkehrte und den Fluss ein zweites Mal überflog. Doch es kam nicht mehr.
    Ich hockte mich wieder

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