Geraubte Erinnerung
auf mein Sitzbrett und paddelte in Richtung Brücke.
»Ich kann nicht glauben, dass all dies wirklich geschieht«, sagte Rachel. »Ich kann nicht glauben, dass eine Frau, die ich nie im Leben gesehen habe, mich jagt, um mich zu töten. Wie kann sie so etwas tun?«
Ich dachte an meine letzte Begegnung mit Geli Bauer zurück. »Sie glaubt, wir stehen uns zu nahe. Sie glaubt, Sie hätten sich in mich verliebt.«
Rachels Wangen röteten sich im Licht der blasser werdenden Sonne. »Wegen des Kusses in Lu Lis Haus?«
»Nicht allein deswegen. Als Geli mich gestern verhört hat, erzählte sie mir, dass Sie sich mit keinem anderen Mann treffen.«
»Woher will sie das wissen?«
»Sie weiß von jeder Verabredung, die Sie hatten, und sie weiß, wie oft Sie sich mit jedem der Männer getroffen haben. Sie weiß, wer Ihre Lehrerin im dritten Schuljahr war und was Ihre Mutter für Sie gekocht hat, wenn Sie krank waren.«
»Was haben Sie ihr geantwortet, als sie Ihnen gesagt hat, ich wäre in Sie verliebt?«
»Dass Sie mich für schizophren halten.«
Rachel lächelte. Ihre großen Augen waren voller Traurigkeit.
Ich suchte den Fluss nach anderen Wasserfahrzeugen ab, doch ich konnte keins entdecken, was mich nicht weiter überraschte. Angler benutzten starke Außenbordmotoren, die sie soschnell wie möglich zu ihren Angelplätzen brachten. Ich tauchte das Paddel ein und richtete das Kanu auf die Bootsrampe aus.
»Wir halten an?«, fragte Rachel und betrachtete die sanft zum Wasser hin abfallende Ebene.
»Ja. Wenn wir gelandet sind, bleiben Sie im Boot. Es dauert nicht lange.«
»Was haben Sie vor?«
»Mich kurz umsehen.«
Ich lenkte das Kanu neben der Rampe aufs Ufer, sprang ins seichte Wasser und watete an Land. Der Parkplatz besaß eine Decke aus gestampften Muschelschalen und erstreckte sich vom Waldrand bis zu den hohen Betonpfeilern der Brücke zu meiner Linken. Ich sah keine Menschenseele, doch ungefähr vierzig Meter von der Rampe entfernt parkten mehrere Pick-ups mit Bootstrailern. Ich ging zu den ersten beiden Wagen und duckte mich zwischen ihnen hindurch.
Ich betastete die Oberseite der Vorderreifen des hinteren Wagens nach versteckten Schlüsseln, doch ohne Erfolg. Dann ging ich zum nächsten und suchte dort. Ebenfalls nichts. Auch mit den nächsten beiden hatte ich kein Glück. Dann kam ein kastanienbrauner Dodge Ram. Auch hier kein Schlüssel auf den Reifen. Ich änderte meine Taktik. In der Hocke zwischen dem Heck des Pick-ups und dem leeren Bootsanhänger dahinter griff ich unter die Stoßstange und tastete mich an der Innenseite der metallenen Lippe entlang. Ich berührte einen flachen Gegenstand, der mit einem scharrenden Geräusch wegrutschte.
Ein magnetischer Schlüsseltresor.
Ich öffnete den kleinen schwarzen Behälter und fand den Wagenschlüssel sowie einen weiteren Schlüssel für das Schloss der Anhängerkupplung. Hastig löste ich den Anhänger vom Wagen, kletterte hinter das Lenkrad und ließ den Motor an.
Rachel duckte sich in das Kanu, als ich vor ihr hielt, ohne mich hinter dem Steuer zu erkennen. Ich lenkte nach links, sodass ich sie durch mein Seitenfenster sehen konnte.
»Bringen Sie Fieldings Schachtel mit!«, rief ich ihr zu. »Beeilen Sie sich!«
Mit der Schachtel in den Armen kletterte Rachel aus dem Kanu und platschte durchs Wasser an Land. Ich eilte ihr entgegen, packte eine Hand voll Uferschlamm und verschmierte das Nummernschild des Pick-ups. Dann wusch ich meine Hände im Flusswasser, legte Fieldings Schachtel auf den Rücksitz und half Rachel auf die Sitzbank neben mir.
»Haben Sie den Wagen kurzgeschlossen?«, wollte sie wissen.
»Ich weiß überhaupt nicht, wie man so was macht«, antwortete ich. »Angler sind ehrliche Leute. Sie vertrauen einander. Ich hasse es, den Wagen stehlen zu müssen, ganz ehrlich.«
»Ich werde ein Bußgebet für Sie sprechen. Los, fahren wir.«
Hinter uns stieg eine weiße Wolke aus Muschelkalk in die Höhe, als ich den Wagen über den Parkplatz auf die Straße jagte.
»Fahren wir immer noch nach Nags Head?«, fragte Rachel.
»Nein. Wahrscheinlich warten sie dort bereits auf uns. Kann ich Ihr Mobiltelefon benutzen?«
Sie zog ein silbernes Motorola aus der Tasche und reichte es mir. Ich wählte die Nummer des Weißen Hauses; ich kannte sie auswendig. Fielding hatte mir dringend geraten, sie mir einzuprägen.
»Wen rufen Sie an?«, fragte Rachel.
»Den Präsidenten. Hoffe ich.«
»Aber Sie haben doch gesagt …«
»Ich möchte sehen,
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