Geraubte Herzen
eingeschneit waren und Hope hier übernachten musste, war das Mädchen schreiend aus ihren Albträumen erwacht.
Ja, irgendwann und irgendwo war Hope etwas Schreckliches widerfahren.
Madam Nainci rührte schwungvoll die Pilze um und schüttete ein Dose Sellerie-Cremesuppe dazu.
Madam Nainci sah in dem Mädchen eine Seelenverwandte, denn Hopes schöne Augen blickten traurig, vereinsamt und alt. Madam Nainci war eine Exilantin, und irgendwie spürte sie, dass auch Hope eine war.
Also sagte sie: »Ich habe heute einen netten jungen Mann kennen gelernt.«
Hope warf einen aufmunternden Blick in die Küche. »Gut! Sie sollten anfangen, wieder auszugehen.«
»Nein, er ist für dich!«
Hope stöhnte leise. Madam Nainci hielt ständig für sie nach Männern Ausschau, und immer, wenn sie einen fand, hatte Hope peinliche Momente zu überstehen. »Ich bin in der Lage, mir meine Männer selber zu suchen«, sagte sie.
»Aber du tust es nicht.« Madam Nainci fixierte Hope mit leicht vorstehenden grauen Augen. »Du musst an deine Zukunft denken.«
»Ich denke an meine Zukunft. Aber ich kann da keinen Mann brauchen.«
»Du weißt nicht, was es bedeutet, einsam zu sein.«
Doch, das weiß ich. Aber Hope sagte nichts und goss die Nudeln ab.
»Zumindest bist du keins von diesen ungezogenen Mädchen, die schon vor der Ehe mit einem Mann … du weißt schon.«
Hope wusste sehr wohl und hatte Schwierigkeiten, sich das Grinsen zu verkneifen. »Alle meine Freundinnen haben … Sie wissen schon … und sagen, es sei die ganzen Umstände nicht wert.«
Madam Nainci straffte die breiten Schultern und verkündete: »Dann tun sie es nicht mit den richtigen Partnern!«
Hope brach in Gelächter aus.
»Du hast keine eigene Familie, glaube mir, ich will nur dein Bestes.«
Nach ein paar vergeblichen Versuchen bekam Hope ihren Heiterkeitsausbruch in den Griff. »Das weiß ich doch, Madam Nainci.«
»Erst die Ehe macht aus … du weißt schon … ein wunderbares Erlebnis. Wenn man verheiratet ist, dann gibt es auch keine überstürzte Heimlichtuerei mehr.«
Hope fing wieder zu lachen an.
Madam Nainci lehnte sich an den Küchenschrank und wartete, bis Hope aufhörte.
»Denk immer an das, was ich dir gesagt habe -« Sie wedelte mit dem Finger. »Erst der Ring, dann das Ding. Du bist ein sittsames Mädchen, und das weißt du auch.«
»Ich bin ein müdes Mädchen. Und ich habe keine Zeit, mich um den Ring zu kümmern oder um das Ding.«
»Womit wir wieder bei Mr. Jones wären.«
Hope sprach langsam und deutlich: »Ich habe keine Zeit für Verabredungen, und der letzte Mann, den Sie mir
ausgesucht haben, war zweiundsechzig und so breit wie hoch.«
»Er war nur ein bisschen übergewichtig.«
»Stimmt.« Er hatte Hope gerade bis zum Kinn gereicht.
Madam Nainci begutachtete Hopes hoch aufgeschossene Gestalt. »Du bist wirklich sehr groß.«
»Das wussten Sie, bevor Sie diese Verabredung arrangiert haben.«
»Du hast lange Beine.«
Madam Nainci verteilte die Nudeln auf zwei Teller und gab den Lammeintopf darauf.
»Was es nicht leicht macht, eine passende Jeans zu finden.«
»Eine schmale Taille. Und schöne Brüste. Du solltest mehr daraus machen.«
Hope trug die dampfenden Teller zum Tisch. »Zwei reichen mir.«
Madam Nainci dachte über Hopes Antwort nach und runzelte schließlich die Stirn. »Du machst Witze, aber diesmal ist es ein netter junger Mann.« Sie setzte sich und wartete, während Hope einen Anruf entgegennahm.
Es war Mrs. Chess, die nur sagte: »Springer auf D6.«
»Okay, ich rufe zurück.« Hope ging ans Schachbrett, machte den Zug und kehrte an den Esstisch zurück.
Madam Nainci sprach weiter, als wäre sie nie unterbrochen worden. »Er hat eine Anstellung. Er hat ein Haus. Und er hat eine Katze.«
»Nein.« Der Apfel zum Frühstück war schon lange her, und das Essen schmeckte wunderbar.
»Wie bitte? Solange jemand nicht obdachlos oder völlig verzweifelt ist, bekommt er wohl keine Chance?« Madam Nainci wedelte mit der Hand in Richtung Schaltbrett. »Unsere Kunden brauchen dir nur von ihren Problemen
zu erzählen, und schon nimmst du dich ihrer an. Und all unsere Kunden haben Probleme.«
»Ich bin nicht interessiert. Ich habe für Verabredungen keine Zeit.«
Madam Nainci aß mit Appetit. »Du musst dich mit Jake treffen. Jake Jones. Er sieht sehr gut aus, dunkelhaarig, bronzener Teint, möglicherweise ein bisschen jünger als du, und er betreibt seine eigene kleine Firma. Er macht Sachen für die
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