Geraubte Herzen
streiten. Jetzt, da sie wieder auf eigenen Füßen stand, bemerkte sie, wie weich ihre Knie waren und dass ihr der Kopf wehtat.
Er ging an den Ständer mit den Handtüchern, nahm einen Arm voll heraus und brachte sie her. »Wann haben Sie zum letzten Mal etwas gegessen?«
»Mittags.«
»Das passt zu Ihnen.« Er schlang ein Handtuch um ihr Haar. »Sie achten nicht auf sich.«
»Doch, tue ich.« Das Handtuch war warm, und sie seufzte. Ein beheizter Handtuchständer, welch ein Luxus! Dann ging sie das Thema an: »Ich war gerade auf dem Weg zu meinem Apartment, wo ich auch zu Abend essen wollte.«
»Dosensuppe?« Er hob sie auf eine Marmorplatte und wühlte in einer Schublade.
»Die ist sehr nahrhaft.«
»Und schmeckt grauenhaft.« Er drehte ihren Kopf zur Seite, um sich ihre Schläfe anzusehen.
Über seine Schultern hing ein großes Handtuch, das viel von der nackten Haut verdeckte. Sie hätte darüber erfreut sein sollen. War sie aber nicht. Verwirrt sagte sie: »Ich mag die Tomatencremesuppe. Was machen Sie da?«
Er schien ihre Schläfe abzusuchen, es brannte. »Ich schaue nach, ob Sie genäht werden müssen.«
»Genäht?« Sie berührte gleichfalls ihre Schläfe. »Hat er mich wirklich geschnitten?«
Sie sah sein vorgeschobenes Kinn und wusste, dass er wütend war. »Es ist nicht tief. Da reicht ein Pflaster.« Er schnitt ein Heftpflaster zurecht und nahm mit dem Finger etwas Salbe auf.
»Wo haben Sie das gelernt?«, fragte sie. »In der Butler-Schule?«
»Meinen Erste-Hilfe-Kurs habe ich in einem Pfadfinderlager gemacht.« Sein Mund verzog sich zu einem lustigen, halben Lächeln.
Er verarztete sie fertig. Sie sah ihn an, er machte seinen Gürtel auf und ließ die triefende Hose auf die Knöchel rutschen.
Sie sagte: »Quiek!«
Sie sagte tatsächlich quiek wie ein Mäuschen aus einem Cartoon, sie konnte sich gerade noch bremsen, bevor sie sich auch noch die Augen zuhielt. Er hielt seine Boxershorts fest, die den Hosen hinterherrutschen wollten und stieg aus den Hosenbeinen. Er versicherte sich, dass Hope gemütlich in den Bademantel verpackt war, hob sie - schon wieder! - hoch und trug sie ins Schlafzimmer.
Zu der Erektion, deren Umrisse sie durch die feuchte dunkle Baumwolle deutlich erkannt hatte, sagte er kein einziges Wort. Er war nicht verlegen. Er stolzierte nicht herum. Er hatte nur ein Ziel, sie ins Bett zu bringen, alles andere war unwichtig.
Natürlich war sie sich seiner Erregung bewusst gewesen, als er sie in der Badewanne an sich gedrückt hatte. Sie hatte sie an ihrem Hinterteil gespürt. Die bloße Präsenz setzte ihr zu und ließ sie an ihre Unerfahrenheit denken. Sie hatte so getan, als bemerke sie es nicht, und jetzt quiekte sie, weil sie zum ersten Mal eine echte Erektion sah. Sie verstand nicht, wie ein Mann von solcher Weltläufigkeit und solcher Finesse sich mit einem quiekenden Provinzmäuschen wie ihr abgeben konnte.
Das Zimmer war warm, sehr warm, und die Zwillingslampen auf den Nachttischen tauchten es in sanftes Licht. Der Perserteppich war von enormen Ausmaßen und trug auf seinem tiefschwarzen Grund ein Muster aus rosafarbenen und blaugrauen Blüten. Der Holzboden, der den Teppich umgab, war genauso auf Hochglanz poliert wie die Rosenholzmöbel mit ihren klaren Linien. Das Bett war aufgeschlagen, die weißen Laken schimmerten mit einem Glanz, der Satin zu rufen schien, und die dicke, zum Fußende zurückgeschlagene Steppdecke war aus demselben blaugrauen Samt wie die Vorhänge, die die eiskalte Nacht nach draußen verbannten. Überall standen Vasen voller
Blumen - rote Nelken, gelbe Lilien und weißes Schleierkraut. Während sie im Badezimmer gewesen waren, hatte jemand ein Tablett auf den Tisch am Fenster gestellt, das schwer mit Sandwiches und kleinen sandfarbenen Cookies beladen war, und aus der Tülle einer Kanne stieg der Dampf.
Der Raum war die Antithese zu ihrem eigenen kalten, kahlen Schlafzimmer. Das Zimmer und wie Griswald sich um sie kümmerte erinnerten sie an das, was sie vor vielen Jahren verloren hatte.
Er setzte sie auf dem aufgeschlagenen Bett ab und schob ihr drei Kissen hinter den Rücken. Er zog ihr das Handtuch vom Kopf und trocknete damit die langen Strähnen nach. Ihre Füße verpackte er in den Frotteebademantel. Dann trat er ein Stück zurück und fing an, sich selbst abzutrocknen - und das, stellte sie fest, war um einiges interessanter als alles, was er mit ihr angestellt hatte.
Er rieb sich das Gesicht und trocknete sich nachlässig das
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