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Gerechte Engel

Gerechte Engel

Titel: Gerechte Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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Seidenkrawatte sowie ein blassgelbes Button-down-Hemd aus Baumwolle. Dent sah aus, als hätte er in seiner Uniform geschlafen. Doch Bree stellte fest, dass sich die beiden auch noch auf andere Weise unterschieden. Von Zeit zu Zeit zeigte sich Ron auch gewöhnlichen Sterblichen – so verstand er sich prächtig mit Antonia und schien Cordelia Eastburn, die Bezirksstaatsanwältin, zu mögen. Ihnen gegenüber trat er so auf, wie er bei der ersten Begegnung mit Bree aufgetreten war, nämlich als blonder, charmanter, gut gekleideter Sekretär mit langjährigem Lebensgefährten.
    Doch jetzt bemerkte Bree etwas an Ron, das ihr noch nie zuvor aufgefallen war. Er war von einer schimmernden Aura umgeben, die die gedämpfte Farbe von Sonnenlicht in einem Wald hatte. Sie war nur dann wahrnehmbar, wenn er sich neben Dent befand. »Du lieber Himmel«, sagte Bree laut und ließ sich nachdenklich auf dem Rücksitz nieder.
    Ron lächelte sie an, ein wenig traurig, wie sie fand. »Wenn er das ganze Programm schafft, bekommt er seine Aura zurück«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    »Glauben Sie denn, dass er es schaffen wird?«, flüsterte Bree zurück.
    »Hängt ganz von ihm ab.«
    »Wohin?«, fragte Dent.
    »Wir wollen zum Gericht. Danke, dass Sie uns abgeholt haben. Braucht man Sie denn nicht draußen auf der Rattigan-Plantage?«
    »Heute wird in der Front Street gedreht. Die gesamte technische Ausrüstung ist schon um sechs Uhr hintransportiert worden. Ich werde den ganzen Tag zwischen Plantage und Front Street hin- und herfahren müssen. Aber wenn Sie mich brauchen, rufen Sie einfach an. Dann komm ich sofort.« Er warf einen Blick in den Rückspiegel, um Ron anzusehen, der jedoch aus dem Fenster starrte und Dent komplett ignorierte, genau wie Sascha es getan hatte. Hinter diesem Verhalten schien allerdings keine böse Absicht zu stecken. Für Ron war Dent einfach nicht vorhanden, so wie normale Sterbliche Ron oder Petru nicht wahrnahmen, wenn die Engel sich nicht zeigen wollten.
    Draußen, dachte Bree. Der arme Kerl ist wirklich draußen. Sie überlegte, ob er sich diesen Verlust seiner Aura wohl selbst auferlegt hatte.
    »Wir müssen einen Umweg machen und den Martin Luther King Boulevard entlangfahren«, sagte Dent. »Die Cops haben das westliche Ende der Bay Street abgesperrt.«
    »Okay. Setzen Sie uns an der Ecke ab. Von dort aus gehen wir zu Fuß.«
    Er hielt in der Nähe des Gerichtsgebäudes an und ließ sie aussteigen.
    Bree liebte die Altstadt von Savannah aus verschiedenen Gründen, vor allem jedoch wegen der Vielfalt der Baustile. James W. Oglethorpe hatte die Stadt als Ensemble von vierundzwanzig Plätzen entworfen. Jeder Platz war wie ein Minidorf geplant und wies neben den Wohnhäusern ein Verwaltungsgebäude, eine Kirche und eine Schule sowie eine Grünanlage mit Bäumen und Blumenbeeten auf.
    In den über dreihundert Jahren ihres Bestehens war die Stadt mehrmals angegriffen und von Piraten verwüstet worden. Große Brände hatten einen Teil der Stadt in Schutt und Asche gelegt, und im Bürgerkrieg war sie nur knapp der vollständigen Zerstörung durch General Shermans Truppen entgangen. Jedes Mal nach einer solchen Katastrophe setzte der Wiederaufbau ein, was die Vielzahl der Baustile erklärte. Bree selbst hatte ein besonderes Faible für den Kolonialstil der Südstaaten, da er sie an den Familiensitz in North Carolina erinnerte.
    Das Gerichtsgebäude bildete in dieser Hinsicht eine Ausnahme, denn dieser fünfstöckige Betonblock wirkte eher wie ein Gefängnis und besaß nichts von dem architektonischen Zauber seiner Umgebung. Zumindest der Anstrich – ein gelbliches Grau, das in der Sonne die Farbe von Rührei annahm – harmonierte einigermaßen mit den sanften Farbtönen der Altstadt.
    »Sind Sie verabredet? Soll ich warten?«, fragte Dent.
    »Nein danke. Ich habe keine Ahnung, wie lange es dauern wird. Außerdem wird es allmählich wärmer. Es wird uns guttun, wenn wir nachher zu Fuß zurückgehen.«
    Dent spielte nervös am Lenkrad herum. »Wollen wir eine Zeit ausmachen, um zu Kowalski rauszufahren? Vielleicht heute Abend? Ich hab um vier Feierabend. Und wie ich rausgefunden habe, ist bis acht Besuchszeit.«
    Bree, die schon halb ausgestiegen war, hielt inne. »Meinen Sie, das können wir riskieren? Was ist, wenn er Sie wiedererkennt?«
    Dent zuckte die Achseln. »Er ist über neunzig. Keine Ahnung, wie schlimm es wäre, wenn er mich wiedererkennt. Jedenfalls muss ich mit ihm sprechen.«
    »Ich möchte erst mal

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