Gerechte Engel
bemerkte, dass er beim Gehen sein linkes Bein nachzog, was ihr leidtat, wenn auch nicht sehr. Hinter ihm tauchte John Stubblefield auf. Er trug ein blassblaues Button-down-Hemd, dessen Ärmel bis zum Ellbogen hochgerollt waren. Seine beigefarbene Cashmere-Hose wurde von roten Hosenträgern gehalten. Die Schuhe waren auf Hochglanz poliert. Er sah genauso unecht und künstlich aus wie die Möbel in seinem Empfangsraum.
Stubblefield mit seinem weißen Haarschopf und seinen strahlend blauen Augen war der Star der Infomercials, die die Kanzlei spätabends im Fernsehen ausstrahlte. In diesen Sendungen gab er sich volkstümlich und besorgt und erweckte den Eindruck, nicht sonderlich smart zu sein. In Wirklichkeit war er auf eine pathologische Weise eigennützig und habgierig, die jedes Maß sprengte. Außerdem war er einer der smartesten Rechtsanwälte, die Bree kannte. Sie hoffte inständig, dass sich die Regierung endlich einmal dazu aufraffen würde, die Gesetze zur Bekämpfung von Rechtswidrigkeiten zu novellieren. Bis es so weit war, würde Stubblefield weiterhin ein Vermögen damit verdienen, Gruppenklagen gegen die Hersteller von Bohnerwachs und Zahnprothesen anzustrengen.
»Miss Winston-Beaufort.« Stubblefields Grinsen war breit, strahlend weiß und ungefähr so vertrauenswürdig wie das eines Fuchses im Hühnerstall. »Bitte kommen Sie doch herein!«
Bree wich der Hand aus, die er ihr auf den Arm legen wollte, und ging vor ihm den Gang hinunter, der zum Konferenzraum führte. In diesem Raum von geradezu saalartiger Größe handelte die Kanzlei oft jene Gruppenklagen aus, die sie später anstrengen wollte. Er war derart pompös gestaltet, dass Bree stets an einen Sitzungssaal der Vereinten Nationen denken musste, den die Nachfolger Walt Disneys designt hatten. Man hatte bei einem Umbau mindestens drei ehemalige Büros zusammenlegen müssen, um diesen riesigen Raum hervorzubringen. Beherrscht wurde der Saal von einem ausladenden runden Tisch, um den lederne Chefsessel standen. Jeder Platz war mit einem Computeranschluss, einer Wasserkaraffe und einem altmodischen Notizblock ausgestattet. Neben dem Notizblock lagen Kugelschreiber und Bleistifte mit dem Namen der Kanzlei. Am einen Ende des Saals befand sich eine Küchenzeile aus rostfreiem Stahl, die man hinter Schiebetüren im Plantagenstil verschwinden lassen konnte. Auf dem Küchentresen aus Granit stand eine Platte mit Honig- und Wassermelonenstücken, Weintrauben und Käse.
Stubblefield forderte Bree mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen. »Soll Tiffany Ihnen einen Cappuccino machen? Oder möchten Sie lieber eine Cola? Wir müssen leider noch ein paar Minuten warten, bis Mrs. Waterman kommt. Ihr Fahrer hat gerade angerufen. Um den Markt herum herrscht ziemlich starker Verkehr. Offenbar sind dort heute die Filmleute zugange. Aber das wissen Sie ja alles.«
»Tatsächlich?« Bree schob sich einen Stuhl zurecht und nahm Platz. Payton, der noch kein Wort gesagt hatte, baute sich in der Nähe der Küchenzeile auf und holte sein BlackBerry heraus. Bree unterdrückte den Impuls, He, Laufbursche zu rufen, und wandte sich stattdessen Stubblefield zu. »Sie wissen doch sicher besser als ich, was bei Sunward Productions vor sich geht, John. Phillip Mercury ist jedenfalls der Ansicht, dass es dort von Ihren Spionen nur so wimmelt.«
Stubblefield setzte sich auf die Tischkante und schlang die Hände ums Knie – eine Pose, die Bree nur allzu bekannt war und offenbar Vertraulichkeit ausdrücken sollte. »Unsinn. Die Bullochs sind, wie Sie wissen, sehr beunruhigt, weil Phillip Mercury und seine Drehbuchautorin diese prächtige Familie in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Aber alle Informationen, die sie über den Film haben, sind auf ganz legalem Wege zu ihnen gelangt. Die Wahrheit wird sich dann vor Gericht herausstellen. Ich habe der Familie Bulloch geraten, sich erst einmal zurückzuhalten. Sie hingegen unterhalten ja offenbar engere Beziehungen zu der Filmgesellschaft.«
»Das stimmt nicht. Aber ich bin die Rechtsanwältin von Justine Coville. Sie hat mich ermächtigt, über die Rückgabe der Brosche zu verhandeln, die Alexandra Bulloch ihr geliehen hat. Und wie ganz Savannah weiß, spielt Justine bei Bitter Tide mit. Aber das heißt ja wohl noch lange nicht, dass ich etwas mit der Filmgesellschaft zu tun habe.«
Stubblefield runzelte die Stirn. »Sie wollen über die Rückgabe des Eigentums meiner Klientin also verhandeln ? Ihre juristische Hilfskraft
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