Gerechte Engel
die Schulter. »Rufen Sie Hunter in den nächsten Tagen mal an. Und wir zwei sind schon viel zu lange nicht mehr zusammen essen gegangen. Lassen Sie uns bald mal telefonieren, ja?«
»Das machen wir«, versprach Bree.
Cordy ging davon. Auf dem Weg nach draußen blieb sie bei den Securityleuten stehen, um etwas zu ihnen zu sagen (was glucksendes Gelächter hervorrief), grüßte zwei Rechtsanwälte – mit einer Frostigkeit, die diesen nichts Gutes für ihren nächsten Auftritt vor Gericht verhieß – und tätschelte drei Babys.
»Jetzt wirken Sie etwas heiterer als vorhin«, sagte ihr Ron ins Ohr.
»Cordy schafft es immer, mich aufzumuntern, selbst wenn sie mich anschnauzt.« Bree dachte einen Moment nach. »Vermutlich liegt das daran, dass sie so grundanständig ist. Trotzdem wüsste ich gern, was sie so aufgebracht hat.«
»Ich mag sie auch sehr«, gestand Ron. »Also ich habe mir die Akte Norris angesehen.« Er streckte die Hände vor, um zu zeigen, dass sie leer waren. »Schwebendes Verfahren.«
Bree seufzte. »Na großartig! Das heißt, wir wissen nach wie vor nicht, ob er Haydee ermordet hat oder nicht.«
»Es gibt aber auch erfreuliche Nachrichten.« Er fuchtelte mit seinem BlackBerry herum. »Petru hat mir eine E-Mail geschickt. Das Unwichtigste zuerst: Florida Smith ist gern bereit, mit Ihnen essen zu gehen. Sie sollen sie heute Abend um sieben vom Set abholen, dann könnten Sie gemeinsam zu B. Matthew’s gehen. Und in dreißig Minuten erwartet man Sie bei Stubblefield, Marwick. Sie möchten die Brosche mitbringen.«
»Und inwiefern soll das eine erfreuliche Nachricht sein? Immer wenn ich mit John Stubblefield zusammen war, möchte ich hinterher ausgiebig duschen.«
»Wenn Sie Petrus E-Mail lesen, werden Sie verstehen, wie ich das meine. Consuelos Testament wurde schon vor Jahren eröffnet und gerichtlich bestätigt.«
»Und?«
»Petru hat es gelesen und gescannt, sodass Sie sich das Ganze auf Ihrem iPhone ansehen können. Aber es reicht eigentlich, wenn Sie Petrus Zusammenfassung der wesentlichen Punkte lesen.«
Bree holte ihr Handy heraus und rief Petrus Mitteilung ab. Nachdem sie sie gelesen hatte, klappte sie das Gerät wieder zu. »Na, das ist ja interessant.«
»Nicht wahr?«, sagte Ron.
Birg, falscher Schein, des falschen Herzens Kunde!
William Shakespeare, Macbeth
Bree schätzte Stubblefield, Marwick ungefähr so ein wie Manolo-Blanik-Schuhe: viel Protz, aber wenig Substanz, das heißt, etwas, das sein Geld nicht wert war. Eine Mogelpackung. Die Zweigstelle der Kanzlei in der Bay Street nahm die ganze dritte Etage ein. Bree schob die Tür aus dickem Glas auf, trat in den Empfangsbereich und nannte der blonden Empfangsdame ihren Namen. Laut Namensschildchen hieß die Blondine Tiffany.
»Mr. Stubblefield hat gerade eine Besprechung, Miss Winston-Beaufort«, teilte Tiffany mit. »Möchten Sie vielleicht einen Latte, während Sie warten? Oder ein Glas Evian?«
»Was ich möchte, ist vor allem, nicht warten zu müssen«, erwiderte Bree.
Tiffany lächelte strahlend. Ihre Haare waren champagnerpink, was nicht gerade natürlich wirkte. »Mir ist völlig klar, dass Sie sehr beschäftigt sind, Miss Winston-Beaufort. Mr. Stubblefield wird gleich für Sie da sein.«
»So beschäftigt bin ich gar nicht«, sagte Bree. »Ich hab bloß was dagegen, hier rumzusitzen, um auf John Stubblefield zu warten.« Sie blickte auf ihre Armbanduhr. »Mr. Stubblefield hat genau fünf Minuten Zeit. Wenn er mich nach Ablauf dieser Zeit nicht empfängt, darf er sich einen anderen Termin ausdenken, der ihm besser passt.« Sie zeigte auf ihre Aktentasche. »Nur damit Sie Bescheid wissen: Ich habe Mrs. Watermans Brosche dabei.«
Tiffany riss die Augen auf. »Ich sage ihm gleich Bescheid.«
Sie nahm den Telefonhörer ab. Bree setzte sich auf einen nachgemachten Regency-Stuhl, der mit gestreiftem Satin bezogen war, und versuchte, ihre Umgebung zu ignorieren. Der dicke Teppichboden war unnatürlich sauber und hatte die Farbe von Tiffanys Haar. Das protzige Mobiliar ahmte unterschiedliche antike Stilarten nach. Unechte toskanische Vasen quollen von künstlichen Blumen über. Die Vorhänge bestanden aus Dupion-Seide. Das leise Rauschen einer White Noise Machine erfüllte das Zimmer, und irgendjemand hatte sich beim Versprühen von Raumspray vor Begeisterung nicht mehr eingekriegt.
Nach nur drei Minuten öffnete sich die schwere Mahagonitür, die zu den hinteren Räumen führte. Payton kam als Erster heraus. Bree
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