Gerechte Engel
Blick auf Stubblefield. »In Consuelo Bullochs Testament steht, dass sie mit der Brosche begraben werden möchte.«
Stubblefield deutete ein Lächeln an.
»Ihre Großmutter ist in Belle Glade begraben worden. Ich habe die Brosche. Was bedeutet, dass sie nicht mit im Sarg liegt.«
»Na und?« Offenbar hatte Tiffany das Obst klein genug geschnitten, denn Sammi-Rose schob sich ein Stück Honigmelone in den Mund und kaute es. »Es wäre doch äußerst lächerlich gewesen, ein so schönes Stück mit zu begraben.«
Bree lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Wer auch immer beschlossen hat, die Brosche zu behalten, hat einen schweren Diebstahl begangen.«
Sammi-Rose hörte abrupt auf zu kauen. »Wovon zum Teufel reden Sie eigentlich?«
»Können Sie mir sagen, wer entschieden hat, die Brosche nicht mit Consuelos Leiche zu bestatten?«
»Diese Frage wird sie nicht beantworten, nicht wahr, Samantha?«, mischte sich Stubblefield ein.
»Wohl kaum.« Sammi-Rose schob sich ein weiteres Stück Melone in den Mund, das sie mechanisch kaute. Bree hatte den Eindruck, dass sie beunruhigt war, was sich aber nicht genau feststellen ließ, da sie wie Brees Tante Cissy Botox-Anhängerin zu sein schien.
»Es ist die Aufgabe des Testamentsvollstreckers, dieser Sache nachzugehen«, erklärte Bree. »Bis alles geklärt ist, bleibt die Brosche in der Obhut des Testamentsvollstreckers.«
»Des Testamentsvollstreckers?« Sammi-Rose schob ihren Teller beiseite und stand auf. »Dann ist ja alles in Ordnung. Mein Vater war Großmutters Testamentsvollstrecker. Und er war auch derjenige, der fand, dass es reine Verschwendung sei, die Brosche mit der alten Schraube zu begraben.«
»Ihr Vater war einer der Testamentsvollstrecker«, stellte Bree richtig. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Stubblefield die Stirn runzelte. »Und leider hat Ihr Vater seine diesbezüglichen Pflichten stark vernachlässigt. Aber das steht auf einem anderen Blatt.« Bree sprang auf. »Das können Sie alles noch mit Mr. Stubblefield besprechen, Mrs. Waterman. Die Brosche werde ich jedenfalls vorerst behalten.«
»Verflucht noch mal«, zischte Stubblefield. »Das wird Ihnen noch leidtun.«
Sammi-Roses Gesicht wurde tiefrot. »Sie können sie doch nicht einfach so gehen lassen. Diese Brosche ist zwanzigtausend Dollar wert.«
»Und obendrein ein schönes Stück.« Bree ging zur Tür, öffnete sie und blieb kurz stehen. »Es ist alles ziemlich eindeutig, John. Sie hätten Consuelos Testament genauer lesen sollen. Was immer Sie sonst sein mögen, inkompetent sind Sie jedenfalls nicht. Deshalb nehme ich mal an, dass Sie jemand andern darauf angesetzt haben.« Sie vermied es geflissentlich, in Paytons Richtung zu blicken. »Johns unzufriedener Gesichtsausdruck hat einen ganz bestimmten Grund, Mrs. Waterman. Die Kanzlei von Franklin Winston-Beaufort gehörte nämlich auch zu den Testamentsvollstreckern Ihrer Großmutter. Sie entschied sich für Franklin Winston-Beaufort, weil er Ihrem Vater nach dem Mord an Haydee Quinn aus der Patsche geholfen hatte. Mein Großonkel – Gott hab ihn selig – hat mir seine Kanzlei und die damit einhergehenden rechtlichen Verbindlichkeiten vermacht. Deshalb habe ich jetzt die Brosche und deshalb werde ich sie auch behalten, um darüber zu verfügen, wie das Gesetz es vorschreibt. Ich werde Sie wissen lassen, wie laut Gerichtsbeschluss mit dem Eigentum Ihrer Großmutter verfahren werden soll. Jedenfalls werde ich beantragen, dass die Brosche in ihr Grab kommt.« Sie tippte sich, einen militärischen Gruß andeutend, gegen die Schläfe. »Bis dann!«
Während Bree beschwingt die Treppe zu ihrem Büro hocheilte, dachte sie sich, dass es kaum etwas Zufriedenstellenderes gab als einen kompletten (zugegebenermaßen nur vorläufigen) Sieg über Gauner und Schwindler. EB würde das Ganze gefallen. EB würde ihr aber auch in Erinnerung rufen, dass es nicht gut war, die Bullochs und Stubblefield zu Feinden zu haben.
Allerdings war EB gar nicht da, denn es war bereits nach zwei. Mittags hatte sie Feierabend. Die Kanzlei in der Bay Street war noch zu neu, als dass sich Bree dort eine Vollzeitkraft hätte leisten können. Im Unterschied zu Justine Coville sahen die anderen Klienten keine Veranlassung, etwas an ihrem Testament zu ändern. Bree blieb mitten im Zimmer stehen und versuchte, das Büro mit den Augen eines potenziellen Klienten zu betrachten.
Der Paravent aus Rattan teilte den Raum in zwei Hälften. Der größere vordere Teil
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