Gerechte Engel
irrdisches Problem. Beaufort & Compagnie sind aber ausschließlich für himmlische Angelegenheiten zuständig.«
Brees rechtes Bein war auf einen Stuhl gebettet. Sie, Ron und Petru saßen am Konferenztisch in der Angelus Street. Lavinia war oben, Sascha schnüffelte draußen auf dem Friedhof zwischen den Grabsteinen herum. Ihre Eltern waren endlich nach Hause gefahren.
Ron und Petru waren sich darin einig, dass es nicht zu den Aufgaben der Compagnie gehörte, nach der verschwundenen Brosche zu suchen. Bree war da allerdings anderer Ansicht.
Unter dem Verband juckte und kribbelte es. Ihr Knie tat höllisch weh. Obwohl sie sich freute, wieder im Büro zu sein, war sie ständig gereizt. »Das Schmuckstück ist aber der Kontaktpunkt für unsere Klientin, Petru. Wie soll ich denn sonst mit ihr in Verbindung treten?«
Petru schüttelte den Kopf. »Wer immerr die Brosche an sich genommen haben mag, hat einen Diebstahl begangen. Das wird natürlich am Ende der Tage des Betreffenden ins Gewicht fallen, aber vorerrst hat das nichts mit himmlischen Belangen zu tun.«
»Stimmt schon.« Bree schob ihren Kugelschreiber unter den Verband und kratzte sich am Bein, was aber nichts half. »Okay. Dann führe ich die Untersuchung des Diebstahls eben von der Kanzlei in der Bay Street aus durch.«
»Haben Sie Lieutenant Hunter erzählt, dass die Brosche verschwunden ist?«, fragte Ron. »Das ist doch eigentlich ein Fall für die Polizei, oder?«
»Nein, hab ich nicht.« Bree kritzelte auf ihrem Notizblock herum. »Ich möchte es fürs Erste noch vermeiden, mich an die Polizei zu wenden. Ich glaube nämlich, dass es Justine war, die mir eins übergebraten hat.«
Petrus Augenbrauen schossen in die Höhe. »Die alte Schauspielerin?«
»Sie wollte die Brosche unbedingt zurückhaben. Sie hat Angst, ihren Job zu verlieren, und hat sicherlich völlig unbedacht gehandelt. Sie wollte mich ganz gewiss nicht vor Mercurys Auto stoßen.«
»Hm.« Petru zupfte an seinem Bart.
»Sie wissen, dass ich voll und ganz hinter unserem Rechtssystem stehe, sowohl dem irdischen als auch dem himmlischen. Aber ich will Justine nicht den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Die arme Frau hat schon genug ausgestanden.«
»Vielleicht war es ja auch gar nicht Justine, sondern Sammi-Rose Waterman«, sagte Ron. »Nach dem, was Sie mir erzählt haben, war sie betrunken genug, um etwas so Dummes anzustellen. Oder möglicherweise war es auch ihre so verkniffen aussehende Schwester, Marian Lee.«
»Als Sammi-Rose das Restaurant verließ, war Payton bei ihr«, entgegnete Bree. »Vermutlich könnte es also auch Payton getan haben oder sogar alle drei zusammen, aber das ergibt nicht viel Sinn. Payton ist zwar ein Dreckskerl, aber er ist bestimmt nicht gewalttätig. Und er würde mächtigen Ärger mit John Stubblefield bekommen, wenn er zuließe, dass eine ihrer Klientinnen jemanden tätlich angreift und schwer verletzt. Damit will ich natürlich nicht sagen, dass es unmöglich ist. Es ist nur einfach unwahrscheinlich. Jedenfalls werde ich der Sache nachgehen.« Sie beendete ihre Kritzeleien und lehnte sich zurück. »Na gut. Wenden wir uns dem Fall Haydee Quinn zu. Bevor meine Eltern abgefahren sind, hatte ich eine lange Unterredung mit meinem Vater. Außerdem habe ich mir endlich Floridas Material angesehen. Ihre Hintergrundrecherchen sind wirklich ganz hervorragend, außerdem hat sie die Geschehnisse bis zu Haydees Tod genauestens aufgelistet.«
Sie trat zu der weißen Kunststofftafel, die zwischen den Fenstern hing, stützte sich auf ihre Krücke und nahm einen roten Filzstift in die Hand.
2. Juli 1952
19 30 : Tropicana Tide. Haydee und Bagger Bill Norris streiten sich wegen Haydees Affäre mit Alexander Bulloch.
»Dafür gab es mehrere Zeugen«, erklärte Bree. »Ein junges Revuegirl namens Charis Jefferson, eine Kellnerin namens Darcy, Nachname unbekannt, und dann noch den Barkeeper Moses Busch. Busch hat folgende Aussage gemacht: Billy sagte, bevor er sie gehen lasse, würde er sie und sich selbst töten. « Bree nahm den Filzstift wieder in die Hand und schrieb:
20 00 : Haydee führt vor vollem Haus den Tanz der sieben Schleier auf. Alex Bulloch sitzt im Publikum, zusammen mit drei Freunden. Er sieht sich alle drei Aufführungen an.
»Dafür gab es über vierzig Zeugen«, sagte Bree. »Seine drei Freunde gingen anschließend in andere Bars. Für die Zeit nach dem Angriff auf Haydee haben sie alle Alibis.«
3. Juli
00 45 : Haydee kommt
Weitere Kostenlose Bücher