Gerechtigkeit fuer Igel
dies wie folgt aus: »Handbücher der Übersetzung von einer Sprache in die andere können auf von einander verschiedene Weise eingerichtet sein, so daß sie alle mit der Gesamtheit der Rededispositionen in Einklang stehen und doch miteinander unverträglich sind. Sie divergieren dann an zahllosen Stellen, indem sie als jeweilige Übersetzung eines Satzes der einen Sprache Sätze der anderen Sprache angeben, die in keiner einleuchtenden Äquivalenzbeziehung zueinander stehen, wie unscharf man den Begriff der Äquivalenz dabei auch fassen mag.«
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Unter Umständen finden wir daher eine skeptische Sichtweise verlockend: Es gibt keine richtige Antwort auf Fragen der radikalen Übersetzung, sondern nur unterschiedliche Antworten. Philosophen haben auf verschiedene Weisen im Grunde genau diese Antwort gegeben und zum Beispiel behauptet, daß es Bedeutungen nicht gebe oder die Übersetzung wesentlich unbestimmt sei. Diese skeptischen Aussagen setzen aber
254 voraus, daß wir entscheiden müssen, was ein Verhalten am besten erklärt, indem wir allein danach fragen, welche Kombination von Eigenschaften am besten zu den rohen Tatsachen über dieses Verhalten paßt. Unbestimmtheit wird behauptet, weil zahlreiche Kombinationen gleichermaßen zu diesen rohen Tatsachen passen. Radikale Übersetzung läßt sich jedoch am besten als eine Art von kollaborativer Interpretation verstehen – wir stellen uns vor, mit den Sprechern einer Sprache mit all den unterschiedlichen Zwecksetzungen im Gespräch zu sein, die normalerweise Anlaß zu Gesprächen sind. Es ist daher vernünftig, Annahmen über die Sprache und ihre Sprecher zu stipulieren, die notwendig sind, um einen solchen Zweck zu erreichen, derart, daß das Projekt sinnvoller Kommunikation oder Transaktion sowieso zum Scheitern verurteilt wäre, wenn sie nicht gegeben wären.
Wir können die von Donald Davidson vorgeschlagenen Prinzipien der wohlwollenden Interpretation ( principle of charity ) und der Kohärenz auf diese Weise verstehen.
41 Demnach müssen wir davon ausgehen, daß die Sprecher, die wir zu verstehen versuchen, dieselbe Logik gebrauchen wie wir, und daß ihre Überzeugungen im allgemeinen wahr sind, wenn auch nicht unbedingt in jedem einzelnen Fall. Weil das Unterfangen der Übersetzung ohne diese Annahmen sinnlos wäre, gehen wir auf diese Weise vor. Nehmen wir an, daß wir trotz dieser Einschränkungen zwei signifikant unterschiedliche radikale Übersetzungen derselben Sprache generieren: zwei Pakete von Überzeugungen, Wünschen und Bedeutungen, die beide mit all unseren Beobachtungen vereinbar sind. Sie stehen in Konkurrenz zueinander; wenn wir die eine als »richtig« einstufen, müssen wir davon ausgehen, daß die andere nicht richtig ist. Ist eine der beiden alles in allem besser?
Wie immer, wenn solche Fragen gestellt werden, müssen wir behutsam zwischen Ungewißheit und Unbestimmtheit trennen. Wir wären zu jenem zweiten, sehr starken positiven Schluß nur berechtigt, wenn wir einen positiven Grund für die Annahme
255 hätten, daß auch angesichts der vielen Zwecke, denen eine Interpretation dienen muß, nichts für eine dieser beiden divergenten Übersetzungen spricht. Tatsächlich sind verschiedene Übersetzer den tatsächlichen Herausforderungen der radikalen Übersetzung auf sehr einheitliche Weise begegnet, was dafür sprechen würde, daß Unbestimmtheit, als klar von Ungewißheit unterschiedener Fall, sehr selten ist.
42 Natürlich würden wir das anders sehen, wenn wir denken würden, daß der Erfolg einer solchen Interpretation sich ausschließlich daran bemißt, ob sie zu den rohen behavioristischen Tatsachen paßt. Vielleicht geht Davidson von dieser letzteren Annahme aus, wenn er schreibt: »Durch die Gesamtheit der dem Interpreten zur Verfügung stehenden Belege wird keine eindeutige Wahrheitstheorie für einen bestimmten Sprecher festgelegt, [was unter anderem daran liegt,] daß selbst alle möglichen Belege nicht ausreichen, um die Zahl der akzeptablen Theorien auf eine einzige zu beschränken.« Zur Interpretation gehört aber, wie er betont, mehr als nur, daß sie paßt. Obwohl Davidson zugesteht, daß wir »wenn uns daran liegt, sagen [können], die Übersetzung sei unbestimmt«, vergleicht er diese Unbestimmtheit damit, daß wir die Temperatur von Badewasser entweder in Fahrenheit oder in Celsius messen können.
43 Er muß dabei wohl gedacht haben, daß zwar sehr viele unterschiedliche zugeschriebene Pakete zu dem beobachteten
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