Gerechtigkeit fuer Igel
Verhalten passen würden, daß die interpretativen Strategien, die unseren tatsächlichen Zwecken dienen, diese aber normalerweise auf einige wenige reduzieren würden, die sich nur in terminologischer Hinsicht unterscheiden. Wenn das wahr ist, dann gibt es nur sehr wenig Unbestimmtheit, wie Quine sie im Sinn hatte. Vielleicht sehen wir uns nur sehr selten mit gleichermaßen guten Interpretationen konfrontiert, die »in keiner einleuchtenden Äquivalenzbeziehung zueinander stehen«.
256 Eine Zusammenfassung der Werttheorie
Kann die Werttheorie der Interpretation die Bedingungen erfüllen, die ich zu Beginn des Kapitels an eine gelungene Theorie der Interpretation gestellt habe? Sie ist in ausreichendem Maße allgemein, da sie Gültigkeit für alle von mir aufgezählten Genres beansprucht. Wenn der Erfolg einer bestimmten interpretativen Aussage davon abhängt, ob eine überzeugende Auffassung des Werts der Interpretation in einem bestimmten Genre vorliegt, kann man natürlich nicht anfangen zu interpretieren, bis das Genre im Rahmen dessen, was ich als erstes Stadium der Interpretation bezeichnet habe, präzisiert oder vorausgesetzt wird. Blinkende Lichter als eine Botschaft zu interpretieren hat einen vollkommen anderen Sinn, als sie als Kunstwerk aufzufassen. Wie ich es von einer überzeugenden Interpretationstheorie gefordert habe, erklärt die Werttheorie auch, warum die Rolle der mentalen Zustände von Autoren oft so kontrovers ist. Ihre mentalen Zustände sind relevant, wenn und insoweit sie aufgrund des besten Verständnisses des Werts relevant sind, dem Interpretationen in dem fraglichen Genre dienen. Bei der Interpretation in Gesprächen sind die Intentionen der Sprecher von zentraler Bedeutung, weil der Zweck derartiger Interpretationen fast immer die Kommunikation solcher Intentionen ist. Im Bereich des Rechts wird den tatsächlichen psychischen Zuständen der Gesetzgeber und anderer Regierungsvertreter keine solche Rolle zuerkannt, weil die beste Weise, den Zweck der Interpretation von Gesetzen und anderen Rechtsdaten zu verstehen, einen Großteil dessen irrelevant macht, was diese Personen tatsächlich denken und beabsichtigen. In der literarischen Interpretation ist die Rolle der Intention des Autors umstritten, und die Bedeutung, die ihr von Kritikern zugeschrieben wird, wechselt, weil diese Kritiker unterschiedlicher Meinung darüber sind, inwieweit der Wert eines bestimmten Kunstwerks von der Inspiration des Autors und ihrer Verwirklichung im Kunstwerk abhängt.
257 Als die Tradition der Autorintention im frühen 19. Jahrhundert besonders einflußreich war, erklärten ihre Anhänger, die Absicht des Autors solle die Interpretation kontrollieren, weil nur so dem echten Wert von Literatur gedient sei. Coleridge drückte das wie folgt aus:
Die Frage, was Dichtung ist, ist von jener, was ein Dichter ist, so wenig unterscheidbar, daß die eine Antwort Teil der anderen ist. Diese Unterscheidung rührt nämlich vom dichterischen Genie selbst her, welches die Bilder, Gedanken und Gefühle im Gemüt des Dichters nährt und auch verändert. […] Er verbreitet eine Stimmung, und einen Geist der Einheit, der sie alle ineinander fließen und (sozusagen) miteinander verschmelzen läßt, durch jene magische Kraft der Synthese, der allein wir den Namen Einbildungskraft zusprechen.
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Wie kann man, wenn man diese romantische Auffassung von Dichter und Gedicht als Tänzer und Tanz bejaht, nicht annehmen, daß der Sinn von Kritik darin besteht, dieses imaginative Genie angemessen zur Geltung zu bringen? Vergleichen Sie das mit Tom Stoppards ganz anderer Auffassung von der Rolle eines Kritikers: Ihm zufolge ist ein Kritiker wie ein Zollbeamter, der vieles an dem Werk bemerkt, dessen Vorhandensein der Autor eingestehen muß, obwohl er vollkommen wahrheitsgetreu behauptet, es nicht eingepackt zu haben.
45 Wieder andere Auffassungen der Rolle und der Wichtigkeit des »ersten Lesers« spiegeln wieder andere Annahmen über den Wert des kritischen Unterfangens wider. Für viele ist das angebliche Genie des Autors anderen Aspekten untergeordnet, zum Beispiel dem an seinen eigenen Vorzügen gemessenen Kunstwerk verstanden als einem Waisenkind oder einem objet trouvé , der überraschenden Neuerung, die es für zeitgenössische Leser darstellte, der mit ihm verbundenen moralischen Belehrung oder dem gesellschaftlichen oder politischen Bewußtsein eines neuen Zeitalters. Mit dem Wandel der Ansichten darüber, wozu
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