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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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wenn wir diesen Begriff sinnvoll als kriteriumsabhängig (oder vielleicht als Begriff, der sich auf eine natürliche Art bezieht) verstehen können. Das ist aber nicht der Fall. In komplexen und reifen politischen Gemeinschaften herrscht unter Juristen und Richtern Uneinigkeit darüber, wie entschieden werden soll, welche juristischen Aussagen wahr sind. Kein Wunder also, daß es den Positivisten so schwergefallen ist, die Art und Weise der Begriffsanalyse zu erläutern, die sie im Sinn haben. John Austin, ein Positivist aus dem 19. Jahrhundert, behauptete, es handle sich einfach um eine Frage des korrekten Sprachgebrauchs, was offensichtlich falsch ist. Obwohl H. L. A. Hart seinem einflußreichsten Buch den Titel Der Begriff des Rechts gab, finden sich in seinem Werk doch kaum Erläuterungen seines Verständnisses der Begriffsanalyse.
 7 Zu der Zeit, als er dieses Buch in Oxford geschrieben hat, herrschte dort in der Philosophie ein Verständnis der Begriffsanalyse vor, das darin vor allem die Offenlegung der verdeckten konvergierenden Sprachpraktiken gewöhnlicher Sprecher erblickte. Solche konvergierenden Sprachpraktiken existieren aber gar nicht. Der doktrinäre Begriff des Rechts kann nur als interpretativer Begriff verstanden werden, dessen Charakter und Struktur wir im achten Kapitel behandelt haben. Die Verteidigung einer bestimmten Analyse dieses interpretativen Begriffs kann also nur in einer Verteidigung einer umstrittenen Theorie der politischen Moral bestehen. Eine solche Begriffsanalyse muß daher von Beginn an eine enge Verbindung zwischen Recht und Moral voraussetzen. Der vermeintliche Ausweg aus dem Zirkularitätsproblem ist demnach überhaupt kein Ausweg.
    Diese Erläuterung kann uns sowohl als Richtlinie als auch als Korrektiv dienen. Da es sich beim doktrinären Begriff des Rechts um einen interpretativen Begriff handelt, muß eine jede Analyse dieses Begriffs mit der Identifikation der politischen, ökonomischen und sozialen Praktiken ansetzen, in denen die
684 ser Begriff zur Anwendung kommt. In diesen Praktiken wird vorausgesetzt, daß die Menschen neben anderen politischen Rechten auch Rechte mit einer bestimmten Eigenschaft haben: juridische Rechte, die in Reaktion auf entsprechende Forderungen von rechtsprechenden politischen Institutionen wie Gerichten durchgesetzt werden. Wir entwickeln eine Konzeption des Rechts – also ein Verständnis der Gründe, die für die Rechtfertigung eines Anspruchs auf ein in dieser Weise durchsetzbares Recht nötig sind –, indem wir eine Rechtfertigung dieser Praktiken im Rahmen eines umfassenderen und integrierten Netzwerks der politischen Werte zu finden versuchen. Mit anderen Worten, wir entwickeln eine Theorie des Rechts auf dieselbe Weise, wie wir eine Theorie anderer politischer Werte – der Gleichheit, der Freiheit und der Demokratie – entwickeln. Diesem interpretativen Verständnis zufolge wird eine jede Theorie des Rechts unweigerlich ebenso umstritten sein wie diese anderen Theorien.
    Recht als Moral
    Eine baumartige Struktur
    Damit haben wir die überkommene Vorstellung ausrangiert, daß es sich bei Recht und Moral um zwei getrennte Systeme handelt und daher Verbindungen zwischen ihnen gesucht oder geleugnet werden müssen, was stets gleichermaßen fruchtlos geblieben ist. An ihre Stelle tritt die Vorstellung eines umfassenden Systems, in dem das Recht als ein Teil der politischen Moral verstanden wird. Manchen Lesern wird das absurd, anderen paradox vorkommen. Eine solche Vorstellung scheint zunächst auf die irrsinnige Annahme hinauszulaufen, daß das Recht einer Gemeinschaft immer genau so beschaffen ist, wie es beschaffen sein sollte. Viele Leser werden zudem den Eindruck haben, daß ich bei meinem Versuch, eine einheit
685 liche Theorie der Werte vorzulegen, letzten Endes zu weit gegangen bin, daß ich wie Prokrustes bereit war, meiner philosophischen Theorie sogar die Vernunft zu opfern. Tatsächlich schwebt mir jedoch eine sehr viel weniger revolutionäre und kontraintuitive Sichtweise vor.
    In den letzten Teilen dieses Buches haben wir eine baumartige Struktur entstehen sehen. Wir haben gesehen, wie die persönliche Moral so verstanden werden kann, daß sie sich aus der Ethik ergibt, und wie die politische Moral aus der persönlichen Moral folgt. Unser Ziel ist es gewesen, diese oft als voneinander getrennt betrachteten Wertebereiche zu vereinigen. Für den doktrinären Begriff des Rechts läßt sich in dieser baumartigen

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