Gerechtigkeit fuer Igel
Struktur ohne große Mühen ein Platz finden: Das Recht ist ein Zweig oder Teilbereich der politischen Moral. Die schwierigere Frage lautet, wie es vom Rest der politischen Moral abgegrenzt werden sollte – wie man also diese interpretativen Begriffe auf eine Weise voneinander unterscheidet, die es ermöglicht, den einen als identifizierbaren Teil des anderen auszuweisen. Jede plausible Antwort auf diese Frage wird ihren Ausgang vom Phänomen der Institutionalisierung nehmen müssen.
Politische Rechte lassen sich von persönlichen moralischen Rechten nur in einer Gemeinschaft differenzieren, die eine Version der von Hart so genannten sekundären Normen entwickelt hat. Das sind Normen, die legislative, exekutive und judikative Autorität und Zuständigkeit etablieren.
8 Juridische Rechte lassen sich von anderen politischen Rechten nur sinnvoll unterscheiden, wenn diese Gemeinschaft zumindest über ein rudimentäres Verständnis der von Montesquieu analysierten Gewaltenteilung verfügt.
9 Außerdem gilt es, zwischen zwei Klassen von politischen Rechten und Pflichten zu unterscheiden. Legislative Rechte sind Rechte, die bestimmen, daß die Gesetzgebungskompetenzen der betreffenden Gemeinschaft auf eine bestimmte Weise ausgeübt werden können, etwa um ein öffentliches Bildungssystem einzurichten und zu verwalten oder um
686 politische Zensur zu unterbinden. Bei juridischen Rechten handelt es sich um jene Rechte, auf deren Durchsetzung durch rechtsprechende Institutionen, denen die Exekutivmacht der Polizei untersteht, Menschen bei einer entsprechenden Forderung einen Anspruch haben, ohne daß es einer weiteren Intervention der Legislative bedürfte. Das Vertragsrecht berechtigt mich einzufordern, daß Sie gezwungen werden, mein Darlehen zurückzuzahlen. Bei der im 14. Kapitel diskutierten politischen Verpflichtung, – also der Verpflichtung, allen Gesetzen zu gehorchen, die von gesetzgebenden Institutionen verabschiedet werden – handelt es sich um eine juridische Verpflichtung, weil sie vom Staat bei Bedarf im Rahmen von solchen und durch solche Institutionen durchgesetzt werden kann. Natürlich können Rechte beider Klassen umstritten sein: So kann etwa kontrovers sein, ob ich ein Recht darauf habe, daß ein bestimmtes Bildungssystem bereitgestellt wird, oder ob ich tatsächlich einfordern kann, daß Sie gezwungen werden, mir zurückzuzahlen, was ich für ein Darlehen halte. Die beiden Klassen von Rechten unterscheidet nicht, wie eindeutig sie sind, sondern bei welcher Gelegenheit sie zur Anwendung kommen. Im Fall legislativer Rechte muß man warten, bis man an der Reihe ist, da in einer Demokratie die Unwägbarkeiten der Politik bestimmen, welche legislativen Rechte wann eingelöst werden. Obwohl juridische Rechte ebenfalls bestimmten Unwägbarkeiten unterliegen, berechtigen sie die Mitglieder der Gemeinschaft im Prinzip dazu, die mit diesen Rechten einhergehenden Forderungen in direkt zugänglichen Verfahren zu sichern. Selbst gültige legislative Rechte haben keine unmittelbare Kraft; juridische hingegen können in Reaktion auf entsprechende Forderungen von rechtsprechenden statt gesetzgebenden Institutionen unmittelbar durchgesetzt werden.
Diese Unterscheidung hat nicht unbedingt Folgen soziologischer Art. Behauptungen über legislative Rechte spielen in der Politik selbst dann eine wichtige Rolle, wenn es äußerst unwahrscheinlich ist, daß sie in der parlamentarischen Gesetz
687 gebung anerkannt werden; und juridische Rechte sind im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben dann am wichtigsten, wenn es keinerlei Aussicht auf oder auch nur Interesse an ihrer juristischen Durchsetzung gibt. Dennoch ist diese Unterscheidung philosophisch hilfreich, denn sie hilft dabei, zwischen Theorien der Politik und Theorien des Rechts zu differenzieren. Zum Themenbereich der allgemeinen Politischen Philosophie gehören unter anderem legislative Rechte. Obwohl es bei einer Theorie des Rechts um juridische Rechte geht, handelt es sich um eine Politische Theorie, weil nach einer normativen Antwort auf eine normative politische Frage gesucht wird: Unter welchen Bedingungen kommen Menschen wirkliche Rechte und Pflichten zu, die sich in Reaktion auf entsprechende Forderungen auf die beschriebene Weise durchsetzen lassen?
Man kann diese Frage unterschiedlich abstrakt stellen: mit Bezug auf eine bestimmte politische Gemeinschaft wie Belgien oder die Europäische Union oder, sehr abstrakt, im Hinblick auf überall
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