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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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alternative Auffassung, in deren Rahmen Rationalität und Ethik miteinander verknüpft werden, die überzeugendere Option. Im dritten und im vierten Teil dieses Buches argumentiere ich zunächst für einen bestimmten ethischen Ansatz und anschließend für eine interpretative Verbindung von Ethik und Moral. Wenn ich richtigliege, hat ein Mensch, der sich wie Stalin verhält, kein gutes Leben, selbst wenn er das anders sieht. Williams' alternativer ethischer Theorie zufolge hängt was gut oder schlecht für einen Menschen ist nur davon ab, was er wirklich will. Weil er gegenüber objektiveren Konzeptionen ethischer oder moralischer Wahrheit skeptisch war, glaubte er nicht an die Möglichkeit kategorischer Gründe. Ich hingegen vertrete die Ansicht, daß es objektive ethische Wahrheiten und somit auch kategorische Gründe gibt, und werde versuchen, dies im folgenden zu verteidigen. Festzuhalten ist jedenfalls, daß man den externen Fehlerskeptizismus philosophisch nicht verteidigen kann, indem man leugnet, daß es kategorische Gründe gibt. Vielmehr müßte man genau umgekehrt argumentieren: Gegen kategorische Gründe kann man sich nur aussprechen, wenn man bereits unabhängig davon einen Fehlerskeptizismus in der Ethik vertritt.
    95 Statusskeptizismus
    Zwei Versionen
    Wie ich bemerkt habe, ist die Beliebtheit des Statusskeptizismus unter anderem darauf zurückzuführen, daß er uns nicht dazu zwingt, so zu tun, als ob wir Überzeugungen aufgeben, von denen wir uns in Wirklichkeit gar nicht lösen können. Wir können an unseren Gewißheiten festhalten und müssen nur eine schlechte Metaphysik über Bord werfen. Das als Metaethik bezeichnete Feld der akademischen Philosophie wird heute von den anhaltenden Debatten zwischen Statusskeptikern und ihren Gegnern dominiert, aber auch von Diskussionen darüber, welche Version dieser Sichtweise am plausibelsten erscheint. Anstatt die entsprechende Literatur zusammenzufassen und zu bewerten, will ich mich im folgenden auf eine Frage konzentrieren: Handelt es sich beim Statusskeptizismus überhaupt um eine eigenständige und vertretbare Position?
    Auch als zu kritisierende Position ist der Statusskeptizismus nur vertretbar, wenn wir eine Unterscheidung zwischen der Bedeutung beziehungsweise den Konsequenzen der folgenden beiden Urteile treffen können: »Foltern ist immer falsch« und »Die Verwerflichkeit der Folter ist eine Frage objektiver Wahrheit, die nicht von den Einstellungen der Menschen abhängt«. Wenn es sich bei dem zweiten, angeblich philosophischen Urteil nur um eine langatmige Reformulierung des ersten, unbestritten moralischen Urteils handelt, kann man das erste nicht ohne das zweite bejahen, und der Statusskeptizismus scheitert schon vor dem Start. Daß zwischen den beiden Aussagen der verlangte Unterschied besteht, ist keineswegs offensichtlich. Wenn jemand zuerst behaupten würde, daß Folter falsch ist, um dann sogleich hinzuzufügen, daß diese Aussage nicht wahr ist, wäre das doch sehr seltsam. Daran ändert sich auch nichts, wenn man wie viele Vertreter des Statusskeptizismus behauptet, daß es sich bei dem Urteil erster Ordnung, Folter sei falsch,
96 nicht wirklich um ein Urteil, sondern nur um die Projektion einer Einstellung handelt. Wenn das der Fall wäre, warum sollte der Statusskeptizismus dann überhaupt selbst eine philosophische Position sein und nicht nur eine Projektion der entgegengesetzten Einstellung?
    Alle Varianten des Statusskeptizismus sehen sich mit dieser Herausforderung konfrontiert, und ich bin der Meinung, daß sie an ihr scheitern. Bisher wurde auf zweierlei – inkompatible – Weisen versucht, diesem Einwand zu begegnen. (1) Die einen nehmen die Herausforderung an. Weil man in der Sprachpraxis in ausreichendem Maße zwischen den beiden Sprechakten unterscheiden könne – also zwischen der Bejahung einer moralischen Überzeugung und der Charakterisierung dieser Überzeugung als wahr –, sei es weder logisch noch emotional widersprüchlich, die eine Äußerung zu bejahen und die andere abzulehnen. Bei dem ersten Sprechakt handle es sich um eine uns direkt betreffende Emotionsprojektion erster Ordnung, bei dem zweiten hingegen um ein falsches philosophisches Urteil zweiter Ordnung. (2) Andere Vertreter des Statusskeptizismus glauben nicht, daß in der Alltagssprache ein solcher Unterschied zwischen den beiden Sprechakten gemacht wird, weswegen eine Person sich selbst widersprechen würde, wenn sie dort die Behauptung

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