Gerechtigkeit fuer Igel
nicht mit den Anforderungen an Kausalerklärungen zusammenpassen, welche wir im Rahmen der Wissenschaft entwickelt haben, auf die wir uns insgesamt so sehr verlassen. Wir können unsere Theorien und Meinungen nicht so integrieren, daß Wissenschaft und Astrologie unter einen Hut gebracht werden; und es gibt tausend gute Gründe, warum wir uns gegen die letztere entscheiden sollten.
Die enorme Verbreitung religiöser Überzeugungen stellt das
146 Projekt einer integrierten Erkenntnistheorie vor eine schwierigere Herausforderung. Reflektierte Menschen scheinen im Namen ihrer Religion bestimmte Ausnahmen von den für sonstige respektable Überzeugungen geltenden Anforderungen zu machen. Diese Ausnahmen beruhen auf »Wundern«, zu denen unter anderem das grundlegende Wunder eines ewigen Geistes gehört, der ohne ein Gehirn existiert und eine vollkommen unbegrenzte Macht hat, allem anderen allein durch seinen Willen Existenz zu verleihen. Religiöse Philosophen haben mit großem Einfallsreichtum versucht, diese Wunder zu einer allgemeinen Epistemologie zusammenzuflicken. Manche versuchen zu zeigen, daß die wissenschaftliche Methodik, wie sie in anderen Bereichen entwickelt und verstanden wurde, die von der Religion behaupteten Wunder tatsächlich erklärt. Andere erklären hingegen, die allgemeine Erkenntnistheorie müsse so überarbeitet und erweitert werden, daß sie religiösen Erfahrungen und der Akzeptanz von Wundern Raum läßt. In beiden Fällen wird davon ausgegangen, daß eine integrierte Epistemologie notwendig ist.
Ein in letzter Zeit sehr beliebtes Argument für die Existenz Gottes, das auf der Idee des Intelligent Design beruht, kann die erste Strategie illustrieren.
12 Es wird behauptet, daß bestimmte einfache Lebewesen irreduzibel komplex sind, weil sie nicht überleben könnten, wenn irgendein Element ihres Organismus anders beschaffen wäre, und daß diese Lebewesen sich daher nicht aus einfacheren Lebewesen entwickelt haben können. Daraus wird geschlossen, daß sie von einem übernatürlichen Wesen mit Eigenschaften, die typischerweise dem abrahamitischen Gott zugesprochen werden, geschaffen wurden. Ich halte diese Argumentation für wissenschaftlich wenig überzeugend.
13 Nichtsdestotrotz handelt es sich um einen Versuch, das Wunder der Schöpfung auf eine erkennbar wissenschaftliche Weise zu erklären, nämlich indem man zeigt, daß die beste kausale Erklärung bestimmter Phänomene von uns verlangt, Hypothesen zu akzeptieren, die letztendlich religiös
147 sind. Die Theorie des Intelligent Design wird oft von Menschen angeführt, die früher glaubten, daß ein Gott die Erde und alles Leben auf ihr in sieben Tagen geschaffen hat, die noch nicht besonders lang zurückliegen. Zweifellos wurde ihre Konversion zur Idee des Intelligent Design von Gerichtsurteilen beschleunigt, die den Unterricht der auch als »Kreationismus« bezeichneten Theorie in Schulen untersagt haben, weil sie auf der Autorität der Bibel und nicht einer wissenschaftlichen Beweislage beruhe.
14 Die Konversion könnte aber auch mit einem starken Impuls zu tun gehabt haben, religiöse Überzeugungen mit abstrakteren Ansichten über die Struktur guter Begründungen in Übereinstimmung zu bringen.
Die zweite Strategie, Religiosität mit einer integrierten Epistemologie zu versöhnen, stammt aus der Philosophie; ihr zufolge müssen Erkenntnistheorien für die ganze Bandbreite der Überzeugungen empfänglich bleiben, deren wir uns nicht erwehren können. Manche – genauer gesagt viele hundert Millionen – Menschen glauben, eine große Vielfalt religiöser Erfahrungen gemacht zu haben. Sie glauben, auf transzendente Weise einen Gott in der Welt zu erkennen: Ihr Gefühl der staunenden Ehrfurcht erscheint ihnen als Grundlage ihrer religiösen Überzeugungen ausreichend, solange jene Überzeugungen nicht durch bekannte Argumente widerlegt werden. Darüber hinaus können sie keine unabhängigen Gründe dafür anführen, daß diese Wahrnehmungen korrekt und keine Illusionen sind – also keine von der bloßen Autorität dieser Wahrnehmungen unabhängigen Gründe. Wie bereits erwähnt, halten manche Philosophen es für besser, diese Eindrücke einfach zu akzeptieren, als sie abzulehnen, weil sie nur abgelehnt werden können, wenn wir das erst zu Beweisende bereits vorwegnehmen und auf einer archimedischen Epistemologie bestehen, die diese Eindrücke ausschließt.
15
Meines Erachtens scheitert diese Argumentation, und zwar aus Gründen,
Weitere Kostenlose Bücher