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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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entweder durch einen Verweis auf bestimmte Wahrnehmungen oder auf eine andere Quelle des Wissens zu rechtfertigen, muß er die kausalen Behauptungen rechtfertigen, die sie beinhalten, und in diesem Zusammenhang wird es schwer werden, den Verweis auf Wunder zu vermeiden, also auf Ausnahmen von den kausalen Mechanismen, die Teil jeder integrierten Epistemologie sind. Selbst wenn Menschen, die von einer intelligent geplanten Schöpfung ausgehen, in der Lage wären zu zeigen, daß eine neodarwinistische Theorie die Entstehung der Arten nicht erklären kann, stünden sie vor der davon unabhängigen und beachtlichen Herausforderung, zeigen zu müssen, inwiefern die Hypothese eines übernatürlichen Planers erfolgsversprechender ist.
    Eine integrierte Erkenntnistheorie muß also vor zwei Tyranneien geschützt werden: vor der Tyrannei des archimedischen Strebens, die den Inhalt bestimmter intellektueller Bereiche nicht berücksichtigt, und vor der konkurrierenden Tyrannei eines dogmatischen Festhaltens an einer einzelnen Überzeugung – etwa über Götter, Geister oder darüber, was gut oder was falsch ist –, die eine situationsspezifische Ad-hoc -Ausnahme von der überzeugendsten Darstellung dessen verlangt, wie wir im Bereich der betreffenden Überzeugungen ansonsten verläßliche Meinungen ausbilden. Ich stimme aber zu, daß jedes ehrliche Projekt einer integrierten Epistemologie von einer rohen Überzeugung ausgehen muß, die sich durchsetzt. Vielleicht stellen wir einfach fest, daß wir selbst nach gründlichem Nachdenken nicht anders können, als bestimmte Aussagen zu glauben, und dann sollten wir nicht so tun, als ob das nicht der Fall wäre, sondern statt dessen versuchen zu erklären, warum wir trotz aller Schwierigkeiten in dieser Überzeugung gerechtfertigt sind. Vielleicht gelingt uns das nicht, aber uns zu bemühen ist besser, als uns selbst etwas vorzugaukeln.
    151 Damit ist meines Erachtens die Situation vieler Menschen mit starken religiösen Überzeugungen beschrieben, die nicht anders können, als zu glauben; ihr Glaube bleibt selbst dann bestehen, wenn sie akzeptieren, daß ihnen keine gute Erklärung dafür zur Verfügung steht, wie er in ein größeres Kausalnetz eingefügt werden kann, dessen kausale Aussagen stabil sind. Wenn Sie nicht anders können, als etwas stetig und von ganzem Herzen zu glauben, dann sollten Sie das tun, nicht weil die Tatsache, daß Sie es glauben, dafür spricht, daß es wahr ist, sondern weil Sie ein Argument, das sich überhaupt nicht auf Ihre Überzeugung auswirkt, unmöglich für eine klare Widerlegung halten können. Wir gehen von einer Überzeugung aus und landen am Ende bei einer Überzeugung – das Bemühen um Integrität findet dazwischen statt.
    Moralischer Fortschritt?
    Würde eine Entscheidung gegen die KE - und die KA -Hypothese zur Folge haben, daß andere davon unterschiedene und wichtige Überzeugungen ebenfalls verlorengehen? Crispin Wright verweist auf eine problematische Konsequenz, die sich hier ergeben könnte.
17 Wenn wir die Idee der kausalen Einwirkung vollständig ablehnen, müssen wir eine bestimmte eigentlich sehr attraktiv erscheinende Weise aufgeben, moralischen Fortschritt zu beschreiben, nämlich die eines allmählichen Wegfallens von Hindernissen, die den Effekt der moralischen Wahrheit auf für sie empfängliche Menschen blockieren. Daß auf diesem Gebiet Fortschritte gemacht wurden, könnten wir natürlich trotzdem feststellen. Wenn Sie Sklaverei für falsch halten und wissen, daß Ihnen darin heute viel mehr Menschen zustimmen würden, sind Sie sicher der Meinung, daß zumindest in dieser Hinsicht eine moralische Verbesserung stattgefunden hat verglichen mit Zeiten, in denen Sklaverei in weit größerem Maße praktiziert und verteidigt wurde. Vielleicht könnte es
152 uns gelingen, ausreichend Beispiele dieser Art zu finden, um die sehr viel anspruchsvollere Behauptung zu wagen, daß es insgesamt in der Moral zu einer Verbesserung der moralischen Meinungen gekommen ist. Ein Urteil darüber, wie groß der Fortschritt in diesem rein relativen Sinn wirklich ist, hängt davon ab, welche moralischen Überzeugungen wir haben und wie verbreitet diese Positionen damals waren und heute sind; das sind letztlich soziologische oder historische Fragen.
    Es ist durchaus denkbar, daß wir eine gute Erklärung dafür finden, wie es zu diesem Fortschritt kam. Man könnte zum Beispiel auf persönliche Lebensgeschichten verweisen, aus denen deutlich wird,

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