Gerissen: Thriller (German Edition)
Blick auf seine Arbeit geheftet, sagte er: »Verbrennung.«
»Er hat ›Verbrennung‹ nachgeschlagen?«, sagte Moffit.
Harrow nickte. »Damit er mehr über den Camaro schreiben kann.«
»Scheiß auf den Camaro«, sagte Moffit. Er wandte sich an Ivy. »Was haben Sie gesehen?«
Irgendwo im Gefängnis begann ein Mann zu lachen, ein schrilles Gelächter, das nicht zu enden schien.
»Es ging alles so schnell«, sagte Ivy. »Ich weiß es wirklich nicht.« Gegen Ende schwankte ihre Stimme unsicher.
»Kein Problem«, sagte Moffit. »Diese Scheiße läuft hier ständig.«
Sechs
T aneesha erschien mit einer weiteren Wache und brachte Morales zur Krankenstation. Inzwischen war die Stunde fast abgelaufen, zum Vorlesen blieb keine Zeit. Ivy sah die Autounfall-Arbeiten nach ihrer Heimkehr durch.
Perkins hatte geschrieben:
Den Pfad des Stäubgen Todes
Und Alle unsere gestern Führten Narrn
Zur Letzten Silb auf unserm Lebensblatt
Kriecht so mit Kleinem Schritt von Tag zu Tag
Morgen und morgen, und dann wieder Morgen
Die Zeilen, die er auswendig konnte, in umgekehrter Reihenfolge. Bezog er sich irgendwie auf Autounfälle? Ivy wusste es nicht. Meinte er kriechen oder Krieg in der vorletzten Zeile? Auch das wusste sie nicht.
Korrigiert – bis auf den Titel, der Ivy so gefiel, wie er war – hatte El-Hassam geschrieben:
Autoumfall
Ein Auto wartet in der Gasse
Schwarzes Auto mit Scheibenwischer wisch wisch und
Gelöschten Scheinwerfern
Wartet geduldiges schwarzes Auto
Alle Zeit der Welt
Warte, warte, rrrum, rrrum, Tag und Jahr vergehen
So geduldig
Schwarzes Auto rrrrum und rrrum
Motorgeheul
Wartet darauf, dass das weiße Auto erscheint
Und Harrow:
Zwei Sachen waren komisch an dem Eissturm, der meine Tochter tötete. Das Erste war, wie sehr sie jede Art von Wetter liebte. Und zum Zweiten hatte ich immer das Gefühl, sie würde jung sterben. Ein kluger Mann hätte die beiden komischen Sachen zusammengefügt und einen Weg gefunden, sie zu schützen. Aber das bin ich nicht. Da können Sie jeden fragen.
Schon mal einen Eissturm erlebt? Es ist, als läge die Welt unter Glas, und nicht irgendein altes Glas, sondern ein besonderes Glas, aus Diamanten geblasen. Natürlich ist das einer dieser tollen Schwindel. Einige Leute behaupten, das Leben wäre eben so – ein toller Schwindel –, aber sagen Sie selbst: Was ist daran toll? Aber zurück zum Eissturm, ein Schwindel, weil das Funkeln dahinschmilzt und er am Ende nicht toll ist, sondern tödlich. Wie Sie noch sehen werden.
Abgesehen von den Ereignissen gegen Ende war der Eissturm absolut typisch. Vermutlich ist die Beschreibung langweilig, deshalb lasse ich sie aus und fange an der Stelle an, wo ich nach Hause fahre. Es war einer dieser Orte, an denen ich nicht gern wohnte, unten in einer Senke am Ende der Ransom Road. Ich lebte gern obenauf. Das war damals – jetzt könnte es mir nicht gleichgültiger sein.
Ihr Pech, sagen Sie. Aber es ist Ihrs.
Die Ransom Road war steil und endete in einer langgestreckten Kurve. Meine Tochter wartete immer vorn am Fenster, um mir entgegenzurennen, wenn ich kam. Sie hatte blonde straffe Löckchen, die im Sonnenlicht hüpften.
Eine weitere langweilige Angelegenheit, die ich aber nicht auslassen kann, wenn die Geschichte Sinn ergeben soll, war der damalige Zustand meiner Reifen. Gebraucht und abgefahren, praktisch ohne Profil. Sie waren eisglatt, wie verschlissene Keilriemen. Glas auf Glas, wenn Sie verstehen, worauf ich hinauswill. Ich wäre nie durch die Inspektion gekommen, wenn ich nicht
Der Rest der Seite war leer. Zeitmangel, oder hatte Harrow aus einem anderen Grund aufgehört? Noch eine Unbekannte.
Ivy las Harrows Werk noch einmal, und dann noch mal. Es wurde immer besser. So viele gute Sachen: vor allen Dingen lebendig, Bilder, die man sich ohne Anstrengung vorstellen konnte, Einzelheiten, die im Gedächtnis hängen blieben; übersprudelnder Einfallsreichtum – übersprudelnder Einfallsreichtum stand ganz oben auf Professor Smallians Liste der Dinge, die gutes Schreiben ausmachten. Und was noch? Eine Art Selbstvertrauen, ein Selbstvertrauen, das ihrem eigenen Schreiben fehlte, wie Ivy in diesem Moment klar wurde. Sie dachte wieder an Professor Smallians kleines Aperçu über gut und schlecht: Man muss kein guter Mensch sein, um ein guter Autor zu sein – die Geschichte zeigt, dass es besser ist, wenn man keiner ist –, aber man muss das Schlechte in sich begreifen. Ivy hatte die drei Romane Professor
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