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Gerissen: Thriller (German Edition)

Gerissen: Thriller (German Edition)

Titel: Gerissen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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schon gesagt«, antwortete Ivy. »Aber ich glaube nicht, dass Sie beide es auch so nennen, wenn Sie hinter geschlossenen Türen unter sich sind.«
    Kurzes Schweigen. Dann lächelte Mandrell, ein breites, strahlendes Lächeln, genau wie auf Claudettes Foto. »Ertappt«, sagte er. Er sah nach unten auf ihren Führerschein, den er noch immer in der Hand hielt. »Ivy«, sagte er. »Wir hatten hier vor gar nicht so langer Zeit auch eine Ivy. Oder hieß sie Ivory?« Er musterte sie von oben bis unten. »Wir brauchen immer frisches …« – Fleisch war das naheliegende Wort, aber er unterbrach sich – »… neue Tänzerinnen. Haben Sie schon mal getanzt?«
    »Ich habe absolut kein Rhythmusgefühl.«
    »Wie schade«, meinte Mandrell. Er schnippte ihr den Führerschein hinüber. Ivy fing ihn auf und steckte ihn in die Tasche. »Ich hätte ein paar Fragen zu dieser Geschichte«, sagte er.
    »Schießen Sie los.«
    »Erstens, keine echten Namen, richtig?«
    »Richtig«, erwiderte Ivy. »Ich schreibe Fiktion.«
    »Zweitens«, fuhr er fort. »Warum Striplokale?«
    »Sie sind mit jeder Menge Bedeutung aufgeladen«, sagte Ivy. »Sowohl metaphorisch als auch thematisch.«
    Mandrell sah sie verständnislos an.
    »Und ich will das blöde Ding ja verkaufen«, fügte sie hinzu.
    Mandrell ließ sein Lächeln aufblitzen.
    »Außerdem dachte ich mir, dass es eine Branche ist, die Selfmade-Männer anzieht«, erläuterte Ivy. »Die zentrale Gestalt der Geschichte – der Held – ist ein Selfmade-Mann.« Sie schwieg einen Moment, stellte fest, dass sie ihn selbst von Kopf bis Fuß musterte. »Es sei denn, Sie wurden reich geboren.«
    Mandrell lachte, ein barsches, bellendes Lachen. »Der war gut«, meinte er. »Ich komme aus dem beschissenen Nichts, Süße.«
    »Gut«, sagte Ivy.
    »Hä?«
    »Für die Story«, sagte sie. »Erzählen Sie mir, wie Sie aufwuchsen. Als Erstes vielleicht, woher Sie kommen.«
    »Von hier«, sagte Mandrell. »Aus dem East End. Meine Mutter hat mich großgezogen. Sie ist Frankokanadierin.«
    »Für mich klingt McCord nicht besonders französisch«, meinte Ivy.
    »Das war mein Vater. Er ist früh abgehauen.«
    »Wie heißt Ihre Mutter mit Nachnamen?«
    »Ein französischer Name«, sagte Mandrell. »Sie können ihn bestimmt nicht aussprechen.«
    »Ich würde gern mit ihr reden.«
    »Warum?«
    »Ich wüsste gern, wie sie Ihren Aufstieg im Leben beurteilt.«
    »Meinen Aufstieg im Leben«, wiederholte Mandrell; die Phrase schien ihm zu gefallen. »Gute Idee, aber sie ist verschieden.«
    »Das tut mir leid«, sagte Ivy, obgleich er bis zu diesem Punkt in der Gegenwart von ihr gesprochen hatte; kein Problem. »Wann war das?«
    »Das ist lange her«, sagte Mandrell. Er sah auf die Uhr. »Was möchten Sie sonst noch wissen?«
    »Wie haben Sie angefangen?«
    Er zuckte die Achseln. »Hab mich hochgearbeitet – als Barkeeper jeden Penny auf die Seite gelegt, ein paar gute Geschäfte gemacht.«
    »Wo war das?«
    »Hier«, sagte Mandrell.
    »Waren Sie die ganze Zeit in Montreal?«
    »Ja«, antwortete Mandrell. »Tolle Stadt.«
    »Aber hätten Sie südlich der Grenze nicht mehr Möglichkeiten gehabt?«
    »Das ist eine typisch amerikanische Sichtweise.«
    »Es stimmt also nicht?«
    »Sehen Sie doch hin.« Er gestikulierte in Richtung der Monitore; auf einem sah man Vic, der einen dämmrigen Flur hinunterging. »Das Land boomt.«
    »Demnach haben Sie Ihr Glück nie unten im Süden versucht?«, fragte Ivy.
    »Nein«, antwortete er. »Weiter im Text.«
    »Natürlich«, sagte Ivy. Sie hatte das Gefühl, eine Stütze zu brauchen, und holte ihr Notizbuch heraus. »Ein Lokal wie dieses muss eine Menge kosten. Wie haben Sie den Einsatz aufgebracht?«
    »Wie gesagt«, antwortete Mandrell, »ich habe mir den Arsch abgearbeitet. Mir jeden Luxus versagt. Jede beschissene Notwendigkeit versagt.«
    »In Ordnung, wenn ich das aufschreibe?«, erkundigte sich Ivy.
    »Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause«, sagte er und wiederholte die Phrase im Diktattempo: »Jede beschissene Notwendigkeit versagt.«
    Ivy notierte. »Und auf dem Weg ist Ihnen nie ein unverhoffter Glücksfall zugestoßen?«
    »Glücksfall?«
    »Zum Beispiel ein Lotteriegewinn«, erklärte sie. »Oder ein großer Gewinn in einem Casino.«
    Langes Schweigen. »Casino?«, fragte Mandrell. Er richtete sich in seinem Stuhl auf, der unter seinem Gewicht quietschte. »Was soll mit einem Casino sein?«
    Ivy zuckte die Achseln. »Manchmal hat man im Casino Glück«, erklärte sie.

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