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Gerissen: Thriller (German Edition)

Gerissen: Thriller (German Edition)

Titel: Gerissen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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vorgeschlagen hat.«
    Ivy antwortete nicht.
    »Ich möchte nicht aufdringlich sein«, sagte Whit. »Ich schreibe nur gerade einen kurzen Beitrag für den Atlantic, über den Prozess des Schreibens aus historischer Perspektive. Melvilles Tagebücher sind wirklich überraschend.«
    Der Wachmann stieß sich vom Wagen ab und schlenderte zurück zum Krankenhaus.
    Whit räusperte sich erneut. »Egal«, sagte er. »Das alles gehört gar nicht zur Sache. Ich rufe an, um Ihnen zu sagen, dass wir ›Höhlenmann‹ kaufen.«
    Der Wachmann warf seine Zigarette fort, ein rotes Windrad in der Nacht, und öffnete den Seiteneingang.
    »Tatsächlich«, sagte Ivy äußerst leise.
    »Wir bringen sie in unserer Ausgabe mit Autorendebüts«, sagte Whit. »Gemeinsam mit zwei weiteren jungen Autoren, die Sie bei einer kleinen Party kennenlernen werden, die wir geben wollen. Das genaue Veröffentlichungsdatum kenne ich nicht, aber der Scheck ist in der Post. Buchstäblich.«
    »Danke«, sagte Ivy. Der Wachmann verschwand im Gebäude.
    »Gern geschehen«, sagte Whit. »Anrufe dieser Art sind mir stets ein Vergnügen.«
    »Danke«, wiederholte sie und fügte diesmal hinzu: »Vielmals.«
    Sie verabschiedeten sich.
    Das waren großartige Nachrichten, die besten, die Ivy je erhalten hatte, ja, ein Triumph. Intellektuell war es ihr bewusst. Was ihre Gefühle betraf, ging es ihr gut deswegen, aber eher auf eine Weise, als wäre es jemand anderem zugestoßen, jemandem, dem sie es gönnte, nicht ihr persönlich im Hier und Jetzt. Sie wusste, dass sich das ändern würde; und Harrow würde diese kleine Party gemeinsam mit ihr besuchen und die Anerkennung erhalten, die er verdiente.
    Ivy stieg aus dem Auto, hängte den Bolzenschneider an ihren Gürtel, zerrte die Plane herunter und schnallte die Leiter los.

    Eine dreiteilige Leiter, schwer, aber transportabel. Ivy trug sie unter dem Arm über die rechteckige Rasenfläche zum Ende des rechten Gebäudeflügels. Die Leiter klapperte, aber dagegen konnte sie nichts tun. Sie musste das Ganze so anpacken, als wäre helllichter Tag und sie würde einfach ihrer Arbeit nachgehen; jeder andere Ansatz würde sie vollkommen lähmen. Ivy wurde innerlich ruhig, fühlte sich größer und stärker als sonst.
    Fast alle Fenster des rechten Flügels waren mittlerweile dunkel, und bei den übrigen waren die Jalousien heruntergelassen. Sternenlicht funkelte auf der Leiter, aber nur schwach; die Wolken über ihr bewegten sich schneller.
    Ivy legte die Leiter auf den Boden, den Fuß ungefähr drei Meter von der Mauer entfernt direkt unter das letzte Fenster im zweiten Stock, und zog sie so aus, wie es ihr der Mitarbeiter im Baumarkt erklärt hatte. Nächster Schritt: die Leiter aufstellen und Sprosse für Sprosse hochschieben. Sie musste schwer sein, besonders als sie sich der Vertikalen näherte, aber Ivy spürte das Gewicht kaum. Die Leiter schwang gegen die Krankenhausmauer, während Ivy sie an einer Sprosse in Brusthöhe hielt, um sie abzubremsen. Ganz oben, einen knappen Meter unter dem Fuß des Fensters, schlugen die gummibewehrten Holme mit einem dumpfen Laut gegen die Ziegel – nicht laut, dachte sie, obgleich ein Klappern ertönte und vielleicht sogar ein Echo. Sie blickte sich ein letztes Mal um. Nichts regte sich.
    Ivy stieg die Leiter hoch, ohne dass ihre Turnschuhe auf den Sprossen Geräusche machten. Sie passierte das Fenster im Erdgeschoss – dunkel – und im ersten Stock, wo blaues Licht durch die Jalousie schimmerte. Sie hörte Fernsehstimmen, kletterte weiter.
    Zwei Sprossen vor dem Ende hielt Ivy inne. Von dort konnte sie das Sims des Fensters im zweiten Stock erreichen. Das Fenster. Gerade so weit geöffnet, dass ihre Finger darunterpassten. Es funktionierte. Ivy stieg eine Sprosse weiter, schob ihre Hände mit den Handflächen nach oben unter das Fenster und drückte. Das Fenster rutschte ungefähr dreißig Zentimeter nach oben, vielleicht ein wenig weiter, dann klemmte es. Das reichte.
    Ivy spähte hinein. Dunkel, abgesehen von dem schwachen gelben Licht, das durch die offen stehende Tür aus dem Korridor hereinfiel. Es schimmerte auf den Seitenteilen des Bettes, den Fesseln, Harrows Augen, seinem goldenen Schneidezahn.
    Diese Augen, jetzt ebenfalls wie Gold, waren auf sie gerichtet. Ivy kletterte hinein.
    Sie wand sich herum und landete auf den Füßen. Die Sohle ihres rechten Turnschuhs quietschte auf einem klebrigen Fleck. Sie erstarrte, den Blick auf die Tür gerichtet. Draußen regte sich

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