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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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machen. Ich denke, wir werden eine schnelle Lösung finden. Im Moment aber geht es uns ausschließlich um das Wohlergehen von Frau Horn, ihr gilt unser ganzes Mitgefühl.«
    Im Besprechungsraum des Dezernats 11, wo die Kommissare die Berichterstattung im Fernsehen verfolgten, drehte sich Tabor Süden zur Seite und übergab sich in den Papierkorb, der neben ihm stand und mit einer Plastiktüte ausgeschlagen war. Anschließend spülte er den Inhalt samt Tüte in der Toilette hinunter und erbrach sich ein zweites Mal.
    »Ist dir schlecht?«, fragte Volker Thon.
    »Dir nicht?«, sagte Süden.
    Normalerweise begann die tägliche Pressekonferenz um halb elf. Karl Funkel berichtete dann von den aktuellen Fahndungsergebnissen, flankiert von Franz Obst, dem Leiter der Pressestelle. Wenn es um einen neuen Verbrechensfall ging, teilte Funkel einige Details vom Tatort mit, von denen er wusste, dass die Journalisten danach gierten. Dies war seine Art, mit Informationen zu jonglieren und nicht mehr preiszugeben, als für die Suche nach dem Täter nützlich sein konnte. Trotzdem hatten die Reporter das Gefühl, von Funkel intimere, exaktere Dinge zu erfahren, als wenn sie nur mit der Pressestelle sprachen, deren Leiter ein Schreibtischmann war und einen Tatort nie persönlich besichtigte. Kurz nachdem Funkel Kriminaloberrat geworden war, hatte er diese Art Doppelspitze bei den Pressekonferenzen eingeführt und seither gab es nur noch selten verbalen Krieg zwischen Presse und Polizei. Sogar in extrem heiklen Fällen – wie beim Verschwinden des neunjährigen Raphael, der vor den Augen der Polizei ein zweites Mal von zu Hause weglief mit der Absicht sich umzubringen und erst im letzten Moment von Tabor Süden gerettet worden war – schaffte es Funkel dank seiner auf gegenseitigem Vertrauen gewachsenen Kontakte, die öffentliche Stimmung halbwegs in der Balance zu halten und zu verhindern, dass das Dezernat als ein Hort von Versagern dargestellt wurde.
    Weil sein Name sehr oft in den Zeitungen auftauchte, hielten ihn einige seiner Kollegen für geltungssüchtig und besserwisserisch. Das kümmerte und ärgerte ihn nicht. Er arbeitete gern effizient und geradlinig und hatte keine Berührungsängste vor aufdringlichen Journalisten, er unterstellte ihnen nicht von vornherein krumme Touren, er akzeptierte ihren Job. Auch wenn ihre Berichte ihm gelegentlich arg missfielen, weil sie kaum etwas von dem enthielten, was er vorher mit den Leuten besprochen hatte, so wusste er genau, welche entscheidende Rolle die Presse bei bestimmten Fahndungen spielte und dass die mühsame, von ständigen Rückschlägen begleitete Arbeit der Kommissare durch die Berichterstattung letztlich aufgewertet wurde und nach außen hin viel interessanter erschien, als sie in Wirklichkeit war. Junge Menschen als Nachwuchskräfte für die Polizei zu begeistern, gehörte zu Funkels heimlichen Intentionen.
    Und heimlich gestand er sich zudem ein, dass er seinen Namen durchaus gern in der Zeitung las. Er war überzeugt davon, auf Fotos mit seiner schwarzen Augenklappe und dem markanten Gesicht die Ausstrahlung eines Mannes zu haben, der dem gefährlichen Leben eines Kriminalers in der Großstadt unbedingt gewachsen war. In solchen Momenten, wenn er Pfeife rauchend und allein in der nächtlichen Stille seines Büros die Pressemappe durchblätterte, dachte er, dass er eine gute Entscheidung getroffen hatte, vor fast fünfunddreißig Jahren: Aus Langeweile und diffuser Neugier hatte er damals ein Polizeirevier betreten und um die Bewerbungsunterlagen gebeten.
    Lange jedoch gab er sich solchen nostalgischen Stimmungen nie hin, er kannte sich besser. Um das eigene Spiegelbild zu tanzen fand er im Grunde lächerlich. Wenn er sonntags in der Kirche saß, hinten in der letzten Reihe, schämte er sich seiner Selbstgefälligkeit und wünschte, er wäre weniger allein und hätte einen Menschen, mit dem er außerhalb des täglichen Trubels sprechen könnte und der sein gelegentliches Murmeln und stundenlanges Spielen mit Bauklötzen aus Luft überflüssig gemacht hätte.
    »Ist die Pressekonferenz vorverlegt?«
    Funkel sah von seinem Schreibtisch auf, der bedeckt war mit ausgebreiteten Tageszeitungen. Zwei lokale Blätter hatten ein Foto des Dezernatleiters veröffentlicht. Unter dem einen stand: Karl Funkel: » Mein schlimmster Fall « . Das hatte er nie gesagt und trotzdem war es nicht falsch. Ganz gleich, wie die Entführung ausgehen würde, der Riss, den diese Tat im Bewusstsein

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