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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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hatten. Sie leitet das Rising Sun, und sie ist eine gute Chefin, die Kunden achten sie und das ist wichtig. Ich hab mich in ihrem Zimmer im ersten Stock eingerichtet, ich wusste nicht, wie lang ich bleiben würde. Dann kam Melanie und suchte mich und Hella schickte sie weg. Ich hab geweint, ich hab gedacht, so geh ich mit meiner eigenen Tochter um, ich schick sie weg, ich schick sie zurück in die Angst und die Ungewissheit. Was hätt ich tun sollen? Melanie. Ich hatte zunächst keinen Namen für sie, denn ich wollte unbedingt einen leichten, unbeschwerten Namen und keinen finsteren, so wie Ira, wie meine Mutter heißt, oder Natalia. Dann wär auch sie von allen Netty gerufen worden, so wie ich, und das hätt ich furchtbar gefunden. Kurz bevor sie zur Welt kam, hörte ich »Lay Down« im Radio, immer wieder, ein Discjockey hatte einen Narren an dem Lied gefressen, und das war mein Glück. So nannte ich sie Melanie, das ist ein heiterer, swingender Name, auch wenn man sagen muss, dass Melanie nicht gerade ein heiterer und swingender Mensch ist. Vielleicht wär sie es geworden, wenn ich damals nicht abgehauen wär, ich hab versucht, später mit ihr darüber zu sprechen, und sie hat gesagt, sie würd mich verstehen. Aber ich weiß nicht, ich weiß nicht. Ich kann nicht hineinschauen in ihre Kammern, und ich will es auch nicht. Ich hab dir nie davon erzählt, Chris, und ich hoffe, Melanie hat es auch nicht getan, wozu sollst du das wissen? Ich hab dir nie vom Rising Sun erzählt, wo ich Geld verdiente mit Männern, das war nicht schwer. Es waren sehr nette dabei, saubere und freundliche, nicht nur Idioten und fette Fieslinge. Zwei haben mir einen Heiratsantrag gemacht und bei einem habe ich eine Woche überlegt. Hella wurde wütend und sagte, das seien ja wohl Sentimentalitäten. Das waren immer lustige Stunden, wenn Hella ihre Vorträge hielt, am Anfang hab ich versucht, ihr ein bisschen von mir zu erzählen, doch bald merkte ich, dass wir zu verschieden sind, zu weit voneinander entfernt wie auf verschiedenen Planeten. Egal, sie gab mir den Job und ich konnte mich und mein Kind ernähren, und niemand hat darunter gelitten. Außer meiner Mutter. Aber die leidet unter allem, vor allem unter sich selbst. Manchmal denk ich, ob ihre Mutter bei der Geburt schon ahnte, was für ein Mensch sie werden würde, und sie deshalb Ira nannte, Zorn. Schade, dass sie keine richtige Schriftstellerin geworden ist, vielleicht wäre sie dann ihre Wut losgeworden beim Schreiben. So blieb ihr nur, ihre Mitmenschen zu beschimpfen, ihren Mann vor allem, der hat sich dann aus dem Staub gemacht und ist gestorben, Staub zu Staub. Danach war sie noch wütender auf die Welt, sie verfluchte Gott, weil er sie allein gelassen und aus ihr eine Versagerin gemacht hatte. Ich hab mal von einem Schauspieler gehört, der stundenlang und tagelang im Badezimmer herumgebrüllt und gewütet hat und niemand und nichts konnte ihn bremsen. Ich denke, meine Mutter wäre bestimmt seine beste Schülerin gewesen. Zum Glück hat Melanie nichts von ihr geerbt. Wer weiß, vielleicht zeigen sich bei ihr die Symptome erst später. Was man sich alles nicht gesagt hat am Ende, das ist nicht schlimm, dachte Natalia und drückte sich an die Wand, die warm war, eine Holzwand, vollgesogen mit Sonne. Schlimm ist, was man nicht getan hat. Und da mach ich mir keine Vorwürfe. Seit ich dich kenne, Chris, seit drei Jahren, bin ich jeden Tag ein anwesender Mensch gewesen, ich war dir nie fern, keine Stunde, und ich hab jedes Wort von dir genossen und jede Berührung und jeden Blick und besonders jeden Augenblick im Bett. Wo bist du jetzt? Hier ist Platz genug für zwei, niemand wird dich sehen, du huschst durch die Dunkelheit wie ein Schatten, aber die Dunkelheit schämt sich vor dir, denn deine Schwärze ist schöner als sie. Ich würd dich an mich drücken und dann kommst du in mich und dringst vor zum tiefsten Ort meines Begehrens.
    Sie versuchte, die Beine zu spreizen, zumindest ein wenig, doch die Fesseln an den Fußgelenken waren zu fest verknotet. So drückte sie nur die Schenkel etwas nach außen und die Schmerzen kehrten zurück und sie wusste sofort, sie waren die ganze Zeit da gewesen, sie hatte sie nur nicht bemerkt im Taumel ihrer Gedanken.
    Und dann stand dieser Mann im braunen Anzug vor ihr, der Mann mit der schuppigen Haut und den roten Flecken unter der Nase. Josef Rossi, der Name fiel ihr gleich wieder ein, sie sah ihn vor sich stehen im Dunkeln und fragte sich, was

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