German Angst
werft ihr vor die Tür.« Süden stand auf und ging zu Thon. »Dieser Staatsanwalt manipuliert euch, er blamiert euch vor der Presse…«
»Du warst überhaupt nicht dabei!«, sagte Thon. »Red nicht von…«
»Ich habs im Fernsehen gesehen, das hat gereicht. Und was ich vorhin gesagt habe, ist nichts im Vergleich zu dem, was ich denke…«
»Behalts für dich, Tabor! Halt die Klappe, sonst gefährdest du unsere Ermittlungen.«
»Du dämlicher Schnösel!« Süden baute sich vor seinem Chef auf. »Glaubst du, du wirst Polizeidirektor, wenn du dich immer nur duckst und adrett ausschaust und gut duftest?«
Thons Gesicht verfärbte sich, sein blasser Teint begann zu leuchten wie von einer inneren Glut.
»Wenn wir Natalia nicht finden«, fuhr Süden fort, »und ihr stößt etwas zu, dann bist du das Oberarschloch, denn du bist der Leiter der Vermisstenstelle. Wenn wir sie nicht finden und der Staatsanwalt beschließt, Lucy auszuweisen, weils ja egal ist, wann die Göre rausgeschmissen wird, dann bist du mehr als ein Oberarschloch, dann bist du der Superdepp der Kripo Bayern, weil du zu feige warst, was dagegen zu tun. Und wenn Lucy und ihr Vater dann in Afrika sind und die Kidnapper bringen Natalia trotzdem um, weil sie Angst haben, von ihr identifiziert zu werden, dann schlag ich vor, du lässt dich zum Vorsitzenden der Deutschen Republikaner wählen und gründest gleich noch eine Schutzstaffel dazu, die kannst du dann nämlich gebrauchen für ähnliche Fälle der Befreiung unserer Heimat von fremdländischen Rechtsbrechern. Und vielleicht gewinnst du den Schriftsteller Strauß als Obersturmbannführer, der kann dir dann gleich die Reden schreiben. Gratuliere, mein Führer! Du bist wirklich genau der Richtige für diese Sonderkommission, du bist das Paradebeispiel eines strammen deutschen Polizisten, dessen Lieblingsbeschäftigung die Paragrafenreiterei ist, egal, ob es um Parksünder, Einbrecher, Mörder oder Kidnapper geht, Hauptsache, alles hat seine Ordnung und die Gesinnung ist vorbildlich und volksnah. Deine Gesinnung ist völkisch, Volker, und dein Verhalten ist hündisch.«
Thon war sprachlos. Dann schrie er, so laut er konnte:
»Bist du bekifft? Bist du krank? Du Irrer, du! Du durchgeknallter, selbstgefälliger, arroganter Blödmann, du! Hau ab, Mann! Hau bloß ab!« Er sprang auf, stieß Süden gegen die Brust und brüllte: »Ich lass mich doch von einem wie dir nicht als Nazi hinstellen!«
»Du bist ein Nazi!« schrie Süden. Seine Stimme kam Funkel doppelt so laut vor wie die von Thon.
»Verpiss dich hier! Du bist raus!«
»Duckmäuser!«, donnerte Süden. »Du schickst ein vierzehnjähriges Mädchen in ein Land voller Terror und Armut. Was soll die da tun, Volker? Auf den Strich gehen? Die ist dort nicht geboren, die spricht die Sprache nicht…«
»Dieses Mädchen…« Thon holte Luft, seine Gesichtsfarbe mutierte zu Purpur. »Die schlägt Kinder und alte Leute nieder, die hat hier nichts verloren…«
»Was?«, schrie Süden.
»Was?«, äffte Thon ihn nach.
»Du bankrotter Bürokrat, wieso gehst du nicht raus und sagst den Reportern, du hast überhaupt kein Problem mit den Entführern, du findest das völlig richtig, was die wollen, das ist genau in deinem Sinn. Sags ihnen, werd Mitglied in der Aktion D! Oder bist du das schon?«
»Ich lass dich versetzen! Ich lass dich rausschmeißen, du unkollegialer, drogensüchtiger Rambo-Bulle!«
»Mit wem redest du eigentlich?«, schrie Süden. »Was glaubst du, passiert, wenn ich denen sage, mein Vorgesetzter möchte Lucy Arano am liebsten sofort ausweisen, weg, raus, Nigger ins Niggerland, wo sie hingehören! Du kommst groß raus, es gibt Parteien, bei denen kannst du sofort als Bundeskanzler kandidieren.«
»Dieses Mädchen ist eine Kriminelle!«, schrie Thon. Er war schon etwas heiser. »Und ich persönlich werde sie einbuchten, ich lass mir doch von einem durchgeknallten Sozialromantiker nicht vorschreiben, wie ich mit Serientätern umzugehen hab, Mann!«
Jetzt standen sie unmittelbar vor der geschlossenen Tür. Mit der Faust schlug Thon seinem Kollegen gegen die Brust, ein Hemdknopf sprang ab. Dann riss Süden die Arme hoch, packte Thon an den Schultern, hob ihn ein Stück, machte ein paar Schritte ins Zimmer, sah sich um und pflanzte ihn auf den Drehstuhl in der Ecke. Thon konnte sich gerade noch an der niedrigen Armlehne festhalten, bevor er mitsamt dem Stuhl nach hinten kippte. Sein Seidentuch löste sich, das Hemd hing ihm aus der Hose
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