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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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und sein linker Slipper rutschte vom Fuß. Perplex wischte er sich übers Gesicht, sah hinauf zu Süden und Funkel, der aufgestanden und um den Schreibtisch herumgekommen war, und klopfte sich die Hose an den Oberschenkeln ab. Dann erhob er sich unsicher.
    »Tut dir was weh?«, fragte Funkel.
    Thon antwortete nicht. Er schlüpfte in den Schuh, steckte das Hemd in die Hose, ordnete das Halstuch, zog einen silbernen Kamm aus der Gesäßtasche, mit dem er sich kämmte, ging zum Tisch, schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein, trank es aus und wandte sich zu seinen beiden Kollegen um. Zum ersten Mal empfand Tabor Süden ein wenig Bewunderung für den steifen, stolzen, in seiner Souveränität offenbar unerschütterlichen Hanseaten.
    »Ich lass mich ungern von einem Untergebenen hochheben«, sagte Thon. Funkel verkniff sich ein Grinsen, aber Süden lachte los. Wie so oft lachte er mit weit offenem Mund und so laut und heftig, als habe er soeben den Witz des Jahrhunderts gehört. Eine halbe Minute später hörte er schlagartig damit auf und seine Gesichtszüge nahmen wieder jene müde Traurigkeit an, die nichts verriet von den schlummernden Tumulten der Freude oder Wut, die so unerwartet ausbrechen konnten.
    »Danke«, sagte Thon in die abrupte Stille. Immer noch starrte Funkel seinen Kollegen Süden in einer Mischung aus Verblüffung und Unverständnis an. »Ich weiß«, wandte der fünfunddreißigjährige Thon sich an den acht Jahre älteren Hauptkommissar, »du hast Übung in diesen Dingen, und es tut mir Leid, dass ich so rumgeschrien hab. Ich werd darüber nachdenken, was ich von deinem tätlichen Angriff halten soll. Da es außer uns dreien keine Zeugen gibt und ich nicht verletzt bin, schlag ich vor, wir arbeiten weiter wie besprochen. Christoph Arano hat Vertrauen zu dir, also wirst du ihn erneut vernehmen, ebenso die Tochter der Entführten, die du ja schon kennst. Gleichzeitig bleibst du, abwechselnd mit Weber und Freya, am Fall Wagner dran. Hast du heute schon mit Sonja gesprochen?«
    »Ich habs versucht«, sagte Süden, »sie ging auch ans Telefon, aber sie hat hohes Fieber, sie liegt im Bett und hat bizarre Träume.«
    »Hat sie jemand, der sich um sie kümmert?«, fragte Funkel.
    »Ihre Mutter.«
    »Ob das gesund ist?«, meinte Funkel. »Ich werd heut Abend mal zu ihr fahren, wenn ichs zeitlich hinkrieg.«
    »Ich auch«, sagte Süden.
    »Die nächste Sitzung ist um zwei.«
    Damit verließ Thon das Büro, bahnte sich einen Weg zwischen den Reportern hindurch, die von ihm wissen wollten, ob im Büro des Dezernatsleiters gestritten worden sei, was er verneinte, ging auf die Toilette, warf einen kurzen Blick in den Spiegel in der Hoffnung, nicht allzu derangiert auszusehen, sperrte sich in eine Kabine, setzte sich auf den geschlossenen Deckel und schlug die Hände vors Gesicht. So gedemütigt hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit er ein Kind war. Und auch wenn er intensiv nachdachte, fiel ihm kein Ereignis von damals ein, das er mit dem Vorfall in Funkels Büro vergleichen konnte. Er hat mich einfach hochgehoben und hingesetzt, dachte er, und der Satz kreiste schneller und schneller in seinem Kopf, hochgehoben und hingesetzt, hochgehoben und hingesetzt. Ein erwachsener Mann hebt einen anderen erwachsenen Mann hoch, trägt ihn wie einen kleinen Jungen durchs Zimmer und hockt ihn auf den nächstbesten Stuhl, ein Polizist hebt seinen Vorgesetzten hoch und setzt ihn wieder hin, und lacht dann, und lacht dann auch noch laut.
    Thon konnte sich nicht beruhigen. Vor etwa einem Jahr hatte Süden etwas Ähnliches mit einem Familienvater, der als Zeuge vorgeladen war und dessen Sohn vermisst wurde, getan. Der Mann verprügelte seine Frau ebenso wie seinen Jungen und als er Süden gegenüber eine dumme Bemerkung machte, packte ihn dieser, zog ihn vom Stuhl hoch und schleuderte ihn regelrecht in die Ecke. Wie in einem Schwarzenegger-Film. Daraufhin wurde Süden vorübergehend suspendiert. Doch schließlich war er es, der den neunjährigen Raphael wieder fand, Grund genug, ihn zurückzuholen. Thon hätte ihn am liebsten versetzen lassen, was Funkel nie unterstützt hätte. Süden und er waren Freunde, jeder hatte einmal ein Verhältnis mit Sonja gehabt, und aus irgendeinem Grund schien Funkel Südens Eskapaden einfach zu ignorieren. Sie waren beide merkwürdige Männer, fand Thon, beide hatten sie, anders als er, keine Familie, beide waren Einzelgänger, der eine eher unauffällig und im Beruf absolut zuverlässig, der

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