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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Freiheitsberaubung zum Ziel politischer Entscheidungen? Lassen Sie mich bitte ausreden!«, wehrte er einen Einwand Funkels ab.
    »Ich werde Lucy Arano wegen Raub und gefährlicher Körperverletzung anklagen und möglicherweise ihren Vater wegen grober Verletzung der Aufsichtspflicht. Dazu kommt, dass am 3. Oktober die Aufenthaltserlaubnis des Mädchens endet, was im Rahmen des üblichen Turnus stattfindet. Bisher gab es mit der Verlängerung keine Probleme. Diesmal wird es welche geben. Was ich Ihnen jetzt sage, behalten Sie bitte für sich, wir führen ein Gespräch unter vier Augen, also die Staatsanwaltschaft und die städtischen Behörden, und es muss nicht sein, dass davon etwas nach draußen dringt. Wie Sie wissen, sollen demnächst drei jugendliche Ausländer in ihre Heimatländer abgeschoben werden, sie sind rechtskräftig verurteilt und dürfen also ausgewiesen werden. Obwohl sie unter achtzehn sind. Und das Gleiche könnte nun mit Lucy Arano passieren und mit ihrem Vater, der sie begleiten würde, entweder freiwillig oder, falls Anklage gegen ihn erhoben wird, nach seiner Verurteilung. Seine bislang unbefristete Aufenthaltserlaubnis würde ihm entzogen und er würde möglicherweise für dauernd aus Deutschland ausgewiesen werden…«
    »Mit welcher Begründung denn?«, sagte Tabor Süden, der mit verschränkten Armen Ronfeld am nächsten stand. Dem Staatsanwalt war es ein Rätsel, wieso dieser Hauptkommissar nach all seinen extravaganten Auftritten nicht schon längst seinen Dienst quittieren musste.
    »Wegen ungebührlichem Verhalten«, erwiderte er, »und grober Verletzung der Aufsichtspflicht, das sagte ich schon. Ich bin noch nicht fertig. Was ich Ihnen zu bedenken geben möchte – ich betone: zu bedenken, nichts weiter vorerst –, ist, es könnte der Fall eintreten, dass wir uns überlegen müssen, ob wir opportunistisch oder realistisch sein wollen.«
    Die Nähe des langhaarigen stämmigen Kommissars mit der merkwürdig riechenden Lederjacke, der sich keinen Millimeter bewegte und seine Augen zusammenkniff, bis sie fast geschlossen waren, versetzte den Staatsanwalt in Unruhe und machte ihn latent aggressiv. Er nahm sich vor, demnächst Südens Akte zu studieren.
    »Erklären Sie uns das«, sagte Funkel.
    »Selbstverständlich«, sagte Ronfeld. »Wir können, und ich weiß, Sie und Ihre Kollegen werden das innerhalb kurzer Zeit schaffen, die Täter überführen und uns bis dahin in eindrucksvollen Statements ergehen, in denen wir die Ziele der Aktion D als schändlich geißeln und uns energisch dagegen aussprechen, dass Lucy Arano jemals ausgewiesen wird. Das kommt gut an, bei einem Teil der Bevölkerung jedenfalls, und wir benehmen uns wie aufrechte Demokraten. Das sind wir aber vielleicht nicht…«
    Er machte eine kurze Pause, stellte seine Aktentasche auf den Boden, betrachtete sie eigenartig und nahm sie dann in die andere Hand. Diese Theatralik widerte Funkel sofort an und bei der Ahnung, die plötzlich in ihm hochstieg, bekam er einen trockenen Mund.
    »Vielleicht«, sagte Ronfeld bedächtig, »wissen wir nämlich zu diesem Zeitpunkt bereits, dass das Mädchen und ihr Vater sowieso in absehbarer Zeit Deutschland verlassen müssen, dass unsere Empörung also ein Spiel für die Galerie ist. Ich gebe Ihnen das zu bedenken, meine Herren.«
    Volker Thon zupfte an seinem Halstuch und roch an seinen Fingern. Während er sprach, sah er den Staatsanwalt nicht an, nicht aus Unsicherheit, sondern weil der Gedanke, den er formulierte, ihn auf eine Weise einschüchterte, die ihm vollkommen unbekannt war. »Das heißt, wir sollen uns an die Vorstellung gewöhnen, dass wir, wenn es uns nicht gelingt, Natalia Horn zu finden, die Forderung der Entführer erfüllen und das Mädchen samt ihrem Vater nach Afrika verfrachten. Weil: Da würden sie ja ohnedies landen, früher oder später.«
    »Ein Abenteuer unter Palmen als sozialpädagogische Maßnahme für Lucy Arano kommt jedenfalls nicht in Frage«, sagte Ronfeld.
    In dem Schweigen, das folgte, stopfte Funkel Tabak in seine Pfeife und zündete sie an. Süß und schwer verteilte sich der Rauch im Zimmer. Süden sog ihn genüsslich ein, während Thon mit Daumen und Zeigefinger an seiner Nase zupfte und mit dem Handrücken darüberstrich.
    Der Staatsanwalt lächelte. »Selbstverständlich hoffe ich, dass Sie das Versteck so schnell wie möglich finden und wir dem Spuk ein Ende machen.«
    »Der Spuk ist, dass Sie eine nationalistische Demonstration aus der

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