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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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bist!
    »Machts dir Spaß, jemandem weh zu tun?«
    »Auf diese Frage muss Lucy nicht antworten«, sagte Elisabeth Kurtz.
    »Ich möchte mir ein Bild von diesem Mädchen machen, Frau Doktor«, sagte Nicole und warf ihrem Kollegen, der links von ihr saß, einen schnellen Blick zu. »Sollte ich einen Bericht über Lucy drehen, dann will ich gut vorbereitet sein, und ich will ihr die Chance geben, offen und ehrlich zu antworten. Meine Fragen müssen unangenehm sein, sonst kommen wir nie zum Kern der Sache.«
    »Was ist der Kern der Sache?«, fragte die Psychologin.
    »Der Kern ist, warum tut ein vierzehnjähriges Mädchen so etwas und wer ist dran schuld. Das sind die Fragen, die jeden Zuschauer interessieren, mich auch. Wenn ich mich diesen Fragen nicht annähere, brauch ich erst gar keinen Bericht zu machen. Also Lucy, macht es dir Spaß, jemandem weh zu tun, ist es ein Kick für dich, wenn jemand vor dir auf dem Boden liegt und du ihn besiegt hast? Was denkst du da, welche Gefühle hast du in solchen Momenten?«
    »Frau Sorek«, sagte Elisabeth Kurtz, »wenn Sie Lucy zu unangemessenen Antworten provozieren wollen, dann brechen wir das Gespräch sofort ab. Lucy steht unter großem Stress, sie befindet sich in einer Situation, die hochgradig explosiv ist. Ich habe diesem Gespräch zugestimmt, weil Lucy nichts dagegen hatte und Sie versprochen haben, einfühlsam vorzugehen. Daran zweifle ich aber jetzt. Also beschränken Sie sich auf allgemeine Fragen und hören Sie auf, das Mädchen in die Ecke zu drängen.«
    »Ich dränge sie nicht, Frau Doktor, ich versuche, etwas zu erfahren. Mit meinen Methoden. Und, Lucy, es sind nur Fragen, wenn du keine Lust hast zu antworten, lass es! Erzähl einfach, ich hör dir zu, deswegen bin ich hier, weil ich dir gern zuhören möchte.«
    »Warum?«, fragte Lucy.
    »Weil es mich interessiert, das sagte ich schon.«
    »Aber ich bin nichts Besonderes.« Lucy schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme, versteckte ihren Busen, den sie nicht ausstehen konnte, unter ihren breiten Unterarmen.
    »Du bist die bekannteste Vierzehnjährige Deutschlands«, sagte Nicole.
    »Echt?«
    Wieder warf Nicole dem Kollegen links von ihr einen Blick zu, und der junge Mann nickte freundlich. Er trug den rechten Arm in Gips, um den er einen dicken Schal gewickelt hatte. Jetzt fiel Elisabeth Kurtz wieder ein, dass Nicole ihn als ihren Kameramann vorgestellt hatte, der im Augenblick zwar lädiert sei, aber trotzdem an allen ihren Vorbereitungsterminen teilnahm, weil er in wenigen Tagen wieder im Einsatz sein würde. Sein Name war Rolf, oder Roland, die Psychologin hatte ihn vergessen. In seiner Aktentasche befanden sich zwei Fotoapparate, Filme und mehrere Blocks, wie man bei der Kontrolle an der Gefängnispforte festgestellt hatte. Und der andere war der Tonmann, Peter, oder Benedikt… Er hatte am Eingang sein Handy vorgezeigt und saß nur da und hörte unbewegt zu, als sei er gezwungen worden mitzukommen.
    »Fühlst du dich schuldig für das, was du getan hast?«, fragte Nicole und ihr Gesichtsausdruck, fand Elisabeth Kurtz, war die hundertprozentige TV-Betroffenheitsmiene.
    »Manchmal«, sagte Lucy und senkte den Kopf.
    »Warum tust du das? Was treibt dich? Kannst du das erklären?«
    Lucy schwieg, wippte mit dem Oberkörper hin und her, die Arme fest verschränkt vor der Brust, die Augen zusammengekniffen. Dann sagte sie zaghaft: »Nein.« Ein kurzes Schweigen folgte, dann sagte die Psychologin:
    »Möchtest du, dass wir aufhören?«
    »Nein.«
    »Okay«, sagte Nicole, »kannst du dich noch an das allererste Mal erinnern? Als du zum ersten Mal losgezogen bist und Randale gemacht hast, weißt du noch, wann das war?«
    Wie ein verträumtes Kind fing Lucy an mit ihren Zöpfen zu spielen, fuhr mit den Fingern an ihnen auf und ab, legte den Kopf schief und schien in einer anderen, schöneren Zeit zu versinken. Sie schaute Nicole nicht an, während sie sprach, ihr Blick folgte dem Hin und Her ihrer linken Hand, die sie über den Tisch wandern ließ.
    »Das war vor vier Jahren. Da war ich zehn, fast zehn. Eine Woche vor meinem Geburtstag. Ich bin einfach losgegangen und habs getan, einfach so, ganz easy.«
    »Was hast du getan, Lucy?« Nicole beugte sich vor. Was Lucy veranlasste, sich zurückzulehnen.
    »Ich bin los, bin in den Laden auf der Leopoldstraße, weil da kenn ich mich aus, in den ersten Stock rauf zu den CDs und da hab ich dann eine Verkäuferin gefragt, ob sie was von Chief Obey hat.

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